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Anbetung — ein menschliches Grundbedürfnis

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Menschen scheinen ein angeborenes Bedürfnis nach Anbetung zu haben; ein Verlangen danach, endlich jemand Anbetungswürdigen zu finden, zu dem man sagen kann: Du bist schön, du bist herrlich und einzigartig. Ich erwarte alles von dir.

Dieses Bedürfnis nach Anbetung begleitet einen ein Leben lang. Es läßt sich nicht unterdrücken, nicht verdrängen. Hier hat jeder Mensch seine schönsten und schrecklichsten Erlebnisse. Denn unvermeidbar kommt die Ernüchterung, die Enttäuschung. Der Gegenstand der Anhetung ward als nicht als anbetungswürdig erwiesen hat.

Doch allen Wunden zum Trotz - die Seele kann nicht auf Anbetung verzichten. Sie hat es ja erlebt: das Glücksgefühl, die Inbrunst und Begeisterung. Die Seele hat es erlebt, wie auf einmal alles gut wird und Strotzt vor Sinn und eingebettet ist in ein großes Ganzes.

Kinder und Jugendliche sind be- geisterungs- und anbetungsfähig schier ohne Grenzen. Aber wehe die Götzendämmerung bricht über Eltern, Lehrer, Pfarrer, erst recht ihre Idole herein! Das löst schwere Krisen den jetzt das gleiche Schicksal ereilt wie Krampus, Christkind und Osterhase.

Verliebte haben ihre Rituale, Liturgien und Sakramente. Und sie singen einander Psalmen und werden dessen nicht müde. Doch die Götzendämmerung der Liebe ist schrecklich. Enttäuschte Anbetung verzeiht man nicht. Und erst recht nicht, daß sich der andere die Anbetung nicht mehr gefallen läßt. Unglückliche Liebe ist so schrecklich wie unglücklicher Glaube.

Seit es Anbetung gibt, ist sie von der Politik von 1938 erzählen, ist echt.

Selbstliebe ist lebensnotwendig, aber wer sich selbst anbetet wie der antike Narziß, spielt mit seinem Leben. Aber ohne Anbetung scheint das Leben sein Licht und seinen Glanz zu verlieren.

Und man fängt an, diese Weisen aus dem Morgenland zu beneiden, die von weither nach Bethlehem gereist sind und ein Kind im Stall gefunden haben, das sie als Weltenheiland angebetet haben.

Oder haben sie nur deshalb keine Götzendämmerung mit dem „Christkind“ erlebt.

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