Obwohl die Moderne die afrikanische Kunst in ihr Bewußtsein aufnahm, ist der Blick der Ersten Welt auf die Kunst der Dritten noch immer revisionsbedürftig. In der Ausstellung „Afrikanische Stühle" im Museum für angewandte Kunst ist nun Gelegenheit, Standpunkte zu überprüfen. Erstens wird die ethnologische Betrachtungsweise bedient, zweitens das ästhetische Herangehen an eine im Verschwinden befindliche Kultur gefördert.
Keine außereuropäische Kultur brachte eine solche Vielfalt von Sitzen hervor. Neben alltäglichen, ethnospe-zifischen Gebrauchshockern, die vor allem durch abstrakten Formenreichtum verblüffen, und den mit symbolischen Darstellungen geschmückten Bitualsitzen finden sich repräsentative Hocker und europäisch beeinflußte Stühle der Familienoberhäupter und Dorfältesten sowie Prestigesitze und Throne der Häuptlinge und Könige. Lang richtete sich das Augenmerk westlicher Betrachter auf figürliches, wie Masken, Kopfaufsätze, Ahnenfiguren und Kultobjekte, die mit ihrer Ausdruckskraft eine magische Welt übernatürlicher Kräfte heraufbeschworen. Gebrauchsgegenstände wie Möbel und Gefäße, Textilien, Waffen und Werkzeuge wurden kaum unter ästhetischen Gesichtspunkten betrachtet. Dabei ist ihre Ausdruckskraft um nichts schwächer. Eine traditionelle Kultur vermag alle Gegenstände und Lebensäußerungen zu durchdringen.
Die Kunst Schwarzafrikas soll vor dem Einfluß böser Mächte abschirmen. Dazu müssen die Gegenstände selbst von übernatürlichen Kräften erfüllt sein. Gesteigert wird ihre magische Kraft durch Hinzufügen wirkungsvoller Fremdkörper. Wenn importierte Nägel einen Sessel oder Hocker zieren, bedeutet das mehr als Ausdruck von Wohlhabendheit.
Die Wirkung afrikanischer Kunst, und dazu gehören die Sitzgelegenheiten, beruht auf ihrer formalen Strukturierung. Afrikanische Sitze zeugen von einem ganzheitlichen Selbst- und Weltbild, einem direkten Bezug zur Umwelt, die uns längst fremd geworden ist. (Bis 18. Februar)
