Kunstwerk "katholische Familie"

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Sakral aufgeladene Bilder, aber nicht von der Religion diktiert: Die polnische Künstlerin Marta Deskur in den Grazer Minoriten-Galerien.

Das Christentum hat eine Bildgeschichte gehabt. Diese Geschichte ist abgelaufen", schrieb Wolfgang Schöne Mitte des vergangenen Jahrhunderts. In dem Sinn, dass "fromme" Künstler à la Fra Angelico Werke schaffen, die den zeitgenössischen Kunstmarkt dominieren, hatte Schöne mit seiner Diagnose wohl recht. Umgekehrt ist das Verfallsdatum der Bildgeschichte noch lange nicht erreicht. Gerade die Kunst der letzten 20 Jahre zeigt eine fröhliche Hinwendung zum Gebrauch von Versatzstücken aus dem Pool christlicher Motive, die die Geschichte der abendländischen Kultur bereit hält. Freilich wird von Seiten der Schaffenden jegliche sakrale Aufgeladenheit ihrer Werke tunlichst ausgeklammert. Ganz anders sieht dies bei den Arbeiten von Marta Deskur aus.

Bereits mit dem Hinweis, dass die Künstlerin aus Polen stammt, geht man vom Klischee tiefsitzender Katholizität aus. Und der erste Rundblick bestätigt viele bildliche Anknüpfungspunkte an die christliche Tradition. Also noch eine Ansammlung an Versatzstücken? Keineswegs, Deskur bleibt dazu viel zu nahe an der religiösen Dimension der Tradition, ohne deswegen in ihr aufzugehen. "Wenn die Tradition weise übertragen wird, ist sie gut", bekennt Deskur und wagt sich auf eine doppelt verpflichtete Gratwanderung: weder die Wurzeln vollständig auszureißen noch mit Antworten von vorgestern die Fragen von heute beantworten zu wollen.

Deskurs Arbeiten werden nie anästhetisch, sie geben ihre Bedeutung und ihre Berechtigung nie an die Religion ab, so als wären sie bloße Illustrationen zu den Botschaften der Religion. Vielmehr arbeiten sie sich am zeitgenössischen Mangel ab. Deskur stellt ein Haus auf, aus deren Tür und Fenster Alltagsszenen als Leuchtkästen herausstrahlen. Ausgeschnittene Szenen, ihrer tatsächlichen Umgebung entledigt, schweben sie wie auf dem ewigen weißen Licht. Als Szenen, als Inszenierung sind sie nicht zufällig entstanden, jeweils lassen sich klare Bezüge zur Tradition der Malerei herstellen.

Ähnliches passiert auf den anderen Leuchtkästen der Ausstellung, die Palette der Zuordnungen reicht von Heimsuchung, Verkündigung und Fußwaschung bis zum Abendmahl. Deskur schafft sich so in ihrer "Family" eine neue Version der "katholischen Familie". Ohne diese abzuschaffen, entwickelt die Künstlerin, die ihre Arbeit "mehr als spirituelle denn als soziologische" Analysen verstanden wissen will, eine "Gruppenspiritualität" der Familie. Wohl einer der tiefstgreifenden Mängel der katholischen Tradition wird erfüllend ins Bild gesetzt.

Daneben stellt sich Deskur auch fraulichen Themen, wenn sie Kopftücher, offensichtlich aus dem islamischen Kontext, zwar körpergefüllt, aber gesichtslos zeigt und diese Fotografien auf Badezimmerkacheln affichiert. Parallel dazu zeigt sie in ihrem Video "Veil is my hair" eine Nonne, die ihren Schleier streichelt. Und ihre Schwangeren verkünden: "Mädchen möchten keine Jungfrauen mehr sein."

Marta Deskur, Not to be touched

Minoriten-Galerien im Priesterseminar, Bürgergasse 2, 8010 Graz

Bis 15. Mai Di-So 14-18 Uhr und nach Vereinbarung: 0316/711133

Kuratorenführung Fr 6. Mai 16 Uhr

www.minoritenkulturgraz.at

Katalog: Adam Budak / Johannes Rauchenberger, Not to be touched.

Weitra 2006, 80 Seiten, e 10,-

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