Lehren aus der Strafkolonie

19451960198020002020

"Papillon": 45 Jahre nach dem Filmklassiker mit Steve McQueen wagt sich Regisseur Michael Noer an ein "Remake". Doch die Aktualität des neuen Werks ist nicht mehr so leicht ersichtlich.

19451960198020002020

"Papillon": 45 Jahre nach dem Filmklassiker mit Steve McQueen wagt sich Regisseur Michael Noer an ein "Remake". Doch die Aktualität des neuen Werks ist nicht mehr so leicht ersichtlich.

Werbung
Werbung
Werbung

Am Ende seines Lebens war Henri Charrière eine Berühmtheit: Mit den 1969 erschienenen Lebenserinnerungen, von denen seiner Behauptung nach 75 Prozent die eigenen waren, hatte er einen Bestseller geschrieben. Er hatte eine Fortsetzung folgen lassen und auch das Drehbuch zu einem Gaunerfilm verfasst, in dem er an der Seite von Claudia Cardinale spielte. Sogar vom französischen Staat war er offiziell begnadigt worden. "Papillon", wie Charrière genannt wurde, starb nur Monate bevor die Hollywood-Fassung seiner Geschichte Premiere hatte.

45 Jahre später bekommt die kulturelle Ikone, die mit Steve McQueen und Dustin Hoffman in den Hauptrollen geschaffen wurde, ein "Remake". Es ist dem Originalstoff verpflichtet, in zeitgemäßem Gewand - und mit einem großen "Warum" behaftet. Das liegt aber nicht am Inhalt, der damals wie heute packen könnte: Für einen Mord, den man ihm angehängt hat, zu lebenslanger Verbannungshaft verurteilt, macht der Dieb Papillon auf seinem Transport in die Strafkolonie die Bekanntschaft des Fälschers Louis Dega. Man schließt einen Pakt: Papi beschützt Louis, der wiederum finanziert ihm mit dem eingeschmuggelten Geld die Flucht. Aus der Vereinbarung formt sich unter unmenschlichen Bedingungen eine tiefe Freundschaft, die beide am Leben erhält. Der Brite Charlie Hunnam, der in der Titelrolle auch über die durchtrainierte Physis Distanz zu Steve McQueen zu gewinnen versucht, erläuterte in Interviews den Auslöser für die Neufassung: die laufende Privatisierung der amerikanischen Gefängnisse. Um das aus dem Film abzulesen, braucht es aber jene Phantasie, die einst nicht nötig war, um Aktualität beizumessen.

Flirt mit Klischees

"Papillon" traf auf eine Zeit, in der intensiv jener Blick in die Gefängnisse gemacht wurde, den Dostojewski empfohlen hatte, um den Stand der Zivilisiertheit einer Gesellschaft zu ermessen. Das französische System der Strafkolonien, das Charrière beschrieben hatte, war erst ein paar Jahrzehnte vorbei, die Todesstrafe etwa in Österreich 1968 gerade endgültig abgeschafft, und der deutsche Bundesgerichtshof stieß just 1973 mit einem Urteil über das Recht auf Resozialisierung eine Reform des Strafvollzugs an. Schon im Wissen, dass ihm solche Anlässe fehlen, schlägt das Remake einen eher historienlastigen Weg ein und versucht es aus der Sicherheit handwerklicher Vorerfahrungen -etwa mit seinem Regisseur Michael Noer, der in seinem Heimatland Dänemark den schonungslosen Gefängnisfilm "R" ablieferte.

Seine erste englischsprachige Arbeit fällt dagegen fast zahm aus. Besonders im Prolog, aber auch später wird mit Klischees geflirtet, überzeugt die Beleuchtung wenig, noch weniger aber die oft auffällig saubere Atmosphäre. Vor manch imposanter Landschaftskulisse mögen Hunnam und sein Leinwandpartner Rami Malek sogar ein wenig Distanz zwischen sich und McQueen respektive Hoffman legen. Mit ihnen mitleiden lässt der dahin dümpelnde neue "Papillon" aber zu keiner Zeit. Vielleicht wird die nächste Generation mit ihrer Neufassung mehr Glück haben. Denn: Nichts ist vor einem Remake sicher. Außer "Citizen Kane". Aber auch der nicht.

Papillon USA/E/CZ 2017. Regie: Michael Noer. Mit Charlie Hunnam, Rami Malek, Yorick van Wageningen. Constantin. 133 Min.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung