Liebe und Demut -nicht Herrschaft

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Sichtbarkeit von Religion

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Sichtbarkeit von Religion

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Es sind schöne und wichtige Beobachtungen, die meine Gesprächspartner/in notieren: Dass die "Identitätsfindung" im Markt der globalisierten Kulturen mit Hilfe öffentlicher religiöser Zeichen Symptom des "Prozesses einer Aushöhlung von Religionen" (Khorchide) ist, dass der "steinere Phallus" irgendwie recht sekundär "in die Kirchen eingedrungen" ist (Prätorius), dass öffentliche Sichtbarkeit für eine verfolgte Religion etwas anderes bedeutet als für eine verfolgende Religion (Homolka).

Meine Kirche hat das Spiel von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit lange kontrolliert und ziemlich virtuos beherrscht: vom dunklen Eck des Beichtstuhls bis zur gleißenden "Verschwendung und Muße" des Barock, von der katholischen Benutzeroberfläche vieler österreichischer Städte bis zu den zahlreichen "Landmarken" des Katholizismus, vom menschlichen Körper, dem man empfahl, nur im Dunklen zu baden, bis zum Körper des sterbenden Papstes Johannes Pauls II., dem in seiner Veröffentlichung mehr eingeschrieben wurde als nur das Leiden eines alten Mannes.

Gerade meine Kirche war spätestens seit dem Konzil von Trient in der Versuchung, ihre eigene Sichtbarkeit mit jener Gottes zu verwechseln. Heute aber wird ihr Verstecktes sichtbar und der Raum der öffentlichen religiösen Zeichen neu und von anderen besetzt. Das verunsichert - und falsche Freunde stehen auch schon bereit.

Die katholische Kirche hat eine Chance: nicht zuerst auf die Sichtbarkeit ihrer öffentlichen Zeichen, sondern auf die Sichtbarkeit ihres Glaubens und seiner Wirkungen zu setzen. Dem aber geht es nicht um den ersten, sondern um den letzten Platz, nicht um Herrschaft, sondern Liebe, nicht um Herrschaft, sondern Demut. Die öffentlichen Zeichen der Kirche wären dann Versprechen, diesen Glauben dort tatsächlich anzutreffen. Ob das so ist, kann man überprüfen.

* Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz

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