Ein großer Arzt

Wer ein Buch aus der Feder Richard Sexaus in die Hand nimmt, erwartet sich ein Meisterwerk, wie es seinerzeit sein berühmtgewordenes Buch „Kaiser und Kanzler“ war. Das vorliegende ist gleichfalls ein Meisterwerk, soweit es sich unmittelbar auf Leben und Wirken des berühmten Augenarztes Herzog Carl Theodor, des Bruders der Kaiserin

Elisabeth von Österreich, bezieht. Die allzu ausführliche Darstellung von Nebengestalten, zum Beispiel des Schicksals König Ludwigs II., wäre besser nur auf die Berührungspunkte mit Carl Theodor beschränkt geblieben. Besonders das Festhalten des Verfassers an der These, der König sei nicht geisteskrank gewesen, zumal Sexau selbst das unwiderlegliche Gutachten auf Grund der Obduktion der Leiche des Königs zitiert, befremdet. Auch die Stellungnahme zur damaligen bayrischen Regierung beeinträchtigt den wissenschaftlichen Wert der Darstellung, der den übrigen Partien des Buches in hohem Maße zukommt. Wenn ein Vorwurf gegen die Regierung des Ministerpräsidenten

Lutz berechtigt war, dann der, daß sie der Verschwendungssucht des Königs nicht rechtzeitig und mit der erforderlichen Festigkeit entgegengetreten ist.

Bewundernswert ist die Darstellung des Menschen und großen Arztes Carl Theodor. Hier ist das Werk Sexaus schlechthin unübertrefflich, und sie wird dem Buch einen großen und glänzenden Leserkreis verschaffen. Es gehört in jede Bibliothek der Geschichte der Medizin. Es ist ein unbeabsichtigtes Lehrbuch ärztlicher Stan- desmoral; jeder Arzt müßte es lesen! Aber wer auch sonst es liest, wird großen Gewinn daraus ziehen. Dank verdient der Verlag für die gediegene Ausstattung mit Bildern.