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Widerspruch

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VOLTAIRE. Sämtliche Romane und Erzählungen. Winkler-Verlag, München. 800 Seiten. DM 26.80,

Wer die Werke des Franęois-Marie Arouet (1694 bis 1778), der sich durch eine anagrammatische Spielerei ab 1718 Voltaire nannte, heute, im Zeitalter der „zweiten Aufklärung“, in die Hand nimmt (discipulus absolutes: sämtliche Werke indiziert!), dem springen zwei Dinge in die Augen:

ein nur mühsam unterdrückter Haß gegen Christentum und Kirche und vice versa ein entschiedener Deismus (die Religion der Aufklärung!) des sonst naturwissenschaftlichen Deterministen — ein Deismus, der ihn einmal hat bekennen lassen: „Wenn Gott nicht wäre, müßte man ihn erfinden. Aber der ganze Kosmos ruft uns zu: Er ist.“ Noch eines: Voltaires Epik, die nunmehr in einer schmuk- ken Dünndruckausgabe vorliegt (deutsch von Liselotte Ronte und Walter Widmer, Nachwort: Fritz Schalk), leitet den pessimistischen Rückschlag der sonst so selbstsicheroptimistischen Aufklärung ein. Dies ist besonders dem Standardroman „Candide“ (1759) anzumerken, der übrigens allein zu Voltaires Lebzeiten 42 Neuauflagen erlebt hat, aber auch, mehr minder ausgeprägt, den „Zabig“, „Mikromegas“, „Der ehrliche Hurone“, „Die Prinzessin von Babylon“, „Die Briefe Amabeds“ u. a.

Einiges vom vielgerühmten Esprit und sprachlichen Glanz Voltaires ist wohl verblichen. Ob das auch von der Dramatik zu sagen ist, wird Band II der vorliegenden Edition zeigen. Widersprüche (siehe oben!) sind nicht zu leugnen. Der Sprecher einer Nation und eines ganzen Zeitalters war eben auch kein ausgeklügelt Buch, sondern ein Mensch mit seinem Wider Spruch.

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