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Wiederbelebung des Wortes

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Da steht er am Pult auf der großen, leeren Bühne, in einem unscheinbaren grauen Anzug, mit seinen hängenden Augen mit den großen Tränensäcken und liest. Sagt im übrigen nur, woraus er Uest -und liest. Und das Publikum im 3rall gefüllten Akademietheater auscht andächtg. Ein Bild, wie aus einer anderen Welt.

Er, das ist Gees Nooteboom, 1933 in Den Haag geboren, Altphilologe, Schriftsteller. Er steht nur da, bietet nicht mehr an als sein Wort und verbreitet Geistigkeit, von der man meint, sie greifen zu können. Nie wurde mir der Qualitätsunterschied zum Femsehen deuthcher. Er hest aus seinem Buch „Der Umweg nach Santiago" und plötzhch wird Miguel de Cervantes und sein „Don Quichote" plastisch, er liest aus

„Selbstbildnis eines anderen", das einzige Werk, das auf Deutsch nicht im Suhrkamp Verlag erschienen ist, und es entstehen eindringliche Bilder im Kopf, und er liest aus „Die fol-j;ende Geschichte" und man bekommt eine Ahnung davon, was er meint, wenn er in seinem Essayband „Wie wird man Europäer?" schreibt: „Schriftsteller sind Menschen, ... die die sogenannte Wirklichkeit nicht nach falsch verstandenem aristotelischem Rezept glänzend imitieren, sondern im Gegenteil die unendhchen Möghchkeiten der Kunst nutzen, um ihr Gewalt an-zutun, sie zu untergraben, sie umzudrehen, herabzuziehen oder zu überhöhen, weil es sonst in dieser Welt nicht auszuhalten wäre." Ohne solche europäische Dichter von Weltrang wie Gees Nooteboom wäre die Welt nicht auszuhalten.

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