Loslassen, was gehalten hat

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Christian de Chergé hat ein berührendes Wort des Abschieds hinterlassen. Es ist mit 1. Dezember 1993 datiert, einer Zeit, als das Leben für den Prior des Trappistenklosters von Tibhirine im algerischen Atlas-Gebirge immer gefährlicher wurde. Doch er beschloss zu bleiben, sich weiterhin für den Dialog zwischen Christen und Muslimen einzusetzen. "Wenn es mir eines Tages zustößt (…), dass ich Opfer des Terrorismus werde, (…) möchte ich meine Gemeinschaft, meine Kirche und meine Familie daran erinnern, dass mein Leben Gott und diesem Land gegeben wurde“, schrieb er in sein Testament. Zwei Jahre später wurden er und sechs weitere Mönche verschleppt und enthauptet. Xavier Beauvois hat ihnen im Film "Von Menschen und Göttern“ ein beeindruckendes Denkmal gesetzt.

Das eigene Leben loszulassen, ist zweifellos die radikalste Form, Abschied zu nehmen. Deshalb haben der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser und der Philosoph sowie Sozialethiker Clemens Sedmak das Beispiel Christian de Chergés auch an den Anfang ihres Buches mit dem Titel "Jedem Abschied wohnt ein Zauber inne“ gestellt. Doch wie schwer fällt es schon, vergleichbare Kleinigkeiten loszulassen - Dinge, Pläne, Status? Kothgasser und Sedmak nähern sich diesen Schwierigkeiten auf neun Eskalationsstufen systematisch an - ausgehend vom Verlust liebgewordener Dinge über das Loslassen von Gewohnheiten, wie es Johannes XXIII. in seinem geistlichen Tagebuch beschrieben hat, bis hin zum Abschiednehmen vom eigenen Leben. Ergänzt werden diese Betrachtungen von Geschichten über Menschen wie Alfred Delp, sie selbst schmerzhaft loslassen mussten, und von persönlichen Erfahrungen der beiden Autoren mit dem Tod naher Verwandter. "Loslassen kann man nur, was man auch hält und gehalten hat“, lautet die wichtigste Erkenntnis dieses berührenden Buches. "Und das ist nun einmal eine besondere Kunst.“ (dh)

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