Manchen saß er locker

An Bord der amerikanischen Brigg "Corvo" ist ein junger Matrose, der nur deshalb zur See ging, um über den Selbstmord seiner Schwester hinwegzukommen. Er stammt aus Hartford in Connecticut, sein Vater besitzt dort eine Seidenweberei. Während der Rückreise von Calcutta nach Boston im Frühjahr 1831 schnitzt er an einem sonderbaren Ding aus Abfallholz. Was soll es werden? Das Modell für eine Neukonstruktion, die den Waffenfreund Samuel Colt schon seit langem beschäftigt.

Er will eine mehrschüssige Pistole erfinden. Dies wurde bereits früher versucht, aber ungelöst blieb das Problem des Bewegungsmechanismus für die Geschosse. Der Anblick einer Schiffswinde gibt Colt die Idee ein, wie die Sache funktionieren könnte: mit einer drehbaren Walze oder Trommel. Heimgekehrt heuert er ab und möchte nach seiner Holzpistole sogleich einen Prototyp fertigen lassen. Aber Vater Colt ist nicht gesonnen, Kapital in die Marotte des Junior zu investieren.

Also geht Sam eigene Wege. Vielseitig und gewandt wie er ist, erfindet er nun sich selbst als "Dr. Coult aus New York, London und Calcutta". In dieser Rolle startet er Vortragstourneen, sein Thema ist das damals umstrittene Anästheticum Stickoxydul, vulgo Lachgas. Sowas interessiert die Leute und Colt ist naturwissenschaftlich so gut beschlagen, daß man ihm nicht vorwerfen kann, er sei bloß ein Scharlatan.

Bald gilt er sogar als eine Autorität und hat in vielen Großstädten der USA sein Publikum. Auf solch weitem Umweg verfolgt er aber nach wie vor das Ziel, mit den Honoraren seine "revolving pistol" zur Funktionsfähigkeit zu entwickeln. Mehrere Exemplare werden von Mechanikern gefertigt und getestet. 1835 sucht Colt um ein Patent an. Als ihm der Rechtsschutz für den "Revolver" verbrieft und bestätigt ist, gründet er gemeinsam mit seinem Vetter, dem Anwalt Dudley Selden, eine Fabrik in Paterson im Staat New Jersey. Colt ist dabei der Spiritus Rector, Selden kümmert sich um die Kapitalaufstockung.

Der Erfinder, der selbst kaum imstande wäre, einen Handgriff an der Werkbank zu tun, erhofft sich in erster Linie Großaufträge für die Armee, darauf richtet er die Kapazität des Betriebes ein. Er wendet sich sogar an den Präsidenten persönlich. Das ist damals Andrew Jackson, "Old Hickory", der einstige Kriegsheld. Doch militärisch denkt dieser noch immer in den Kategorien der Napoleon-Zeit, technischen Experimenten mißtraut er.

Das Unternehmen gerät in Schwierigkeiten und schließlich steht Colt vor einem Schuldenberg. Er beginnt sich wieder für andere Projekte zu interessieren. 1843 verlegt er im New Yorker Hafen das erste Unterwasserkabel in Bleirohren. Neuen Auftrieb gibt ihm der Kontakt mit Captain Samuel Walker, einem Offizier der berühmten Texas Rangers. Diese Reiter führen den Entscheidungskampf gegen die Mexikaner, sie brauchen wirksamere Waffen und größere Feuerkraft als der Feind.

In der Fabrik gibt es einen sehr tüchtigen Konstrukteur namens Pliny Lawton. Er ist der Mann, der die Entwicklungsreihe fortsetzt, die in Serien produzierten Modelle "Colt Paterson" und "Texas Paterson" tragen sein technisches Signum. Ab 1852 läuft die Erzeugung in Colts Heimatstadt Hartford.

Als im April 1861 der Sezessionskrieg ausbricht, wird die Rüstungsindustrie der Nordstaaten auf Touren gebracht, alle Waffenfabriken arbeiten im Akkord. Das Colt-Werk liefert im Verlauf der Operationen mehr als 200.000 Revolver, die Konföderierten fertigen nach erbeuteten Stücken Kopien in großer Zahl.

Den Beginn dieser Hochkonjunktur erlebt Samuel Colt nur mehr am Rand mit, als Moribundus. Erst achtundvierzig Jahre alt, stirbt er am 10. Jänner 1862. Noch vor der großen Ära des amerikanischen Westens, für den sein Name weltweit zu einem Symbol wird.

Furche-Serie, Teil 7: Hinter dem Begriff: ein Mensch Gunther Martin stellt in loser Folge Personen vor, deren Namen als Begriff fast alle, deren Biographie aber nur wenige kennen.