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Der Klebstoff hatte es in sich

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Bereits vor fünfzehn Jahren zeigte der Klebstoffhersteller Henkel Kunstverständnis und half bei der Bestaurierung des Maria Theresia Denkmals in Wien. Nun hat die Geschäftsleitung im Bahmen eines Forschungsförderungsprojektes ein Verfahren zur Bettung wertvoller Druckgraphiken entwickelt.

Die Graphische Sammlung Albertina zählt zu den größten und bedeutendsten graphischen Sammlungen der Welt, werden hier doch 40.000 Handzeichnungen und annähernd 900.000 Druckgraphiken aufbewahrt. Spezialsammlungen wie die Architektursammlung, die Miniaturensammlung oder die Plakatsammlung ergänzen die Bestände. Für die Aufbewahrung dieses umfangreichen Bestandes wählte man die platzsparende Form des Buches, im speziellen den sogenannten , Klebeband”. Das sind kunstvoll gestaltete Blindbände, in denen die druckgraphischen Blätter an mehreren Punkten auf den einzelnen Buchseiten verklebt sind.

Für die Verklebung der Originalgraphiken mit den Trägerpapieren verwendete man die Weizenstärke, die zu Weizenstärkekleister verkocht wurde. Dieser Kleister hat anhaltende Elastizität, dauerhafte Klebekraft und kann bei Bedarf unproblematisch durch Quellungsmittel wieder gelöst werden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts begann man jedoch diesen über Jahrhunderte bewährten Klebstoff mittels verschiedener Zusätze zu verändern: Konservierungsmittel sollten dem leicht verderblichen Kleister zu einer längeren Haltbarkeit sowie zu einer erhöhten Bindekraft verhelfen. Durch diese Zusätze verhärtete sich der Kleister aber im Alterungsverlauf, er verlor an Quellfähigkeit, die Verklebungen lassen sich durch Befeuchten nicht mehr lösen.

Der umfangreiche Bestand an Druckgraphik österreichischer

Künstler des 19. Jahrhunderts wurde mit solchen veränderten Kleistern montiert, die verhärteten, völlig unelastischen Klebepunkte verhindern die notwendige Beweglichkeit der Papiere. Dimensionsveränderungen bei Klimaschwankungen und Spannungsunterschiede bei mechanischer Belastung können nicht mehr ausgeglichen werden.

Die so verklebten Graphiken weisen bereits schwere Schäden auf. Wellungen, Knicke, Brüche und Abrisse treten in unmittelbaren Bereich der Klebepunkte auf.

Den Forschern der Firma Henkel gelang es nun nach fünfjähriger Arbeit, ein Verfahren zur zerstörungsfreien Lösung der Verklebungen zu entwickeln. Mit Hilfe von Enzymgelen lassen sich die verhärteten Klebepunkte abbauen. Die entstehenden niedermolekularen Spaltprodukte sind in der vom Gel eindringenden Feuchtigkeit quellbar. *

Der innere Zusammenhalt des Klebepunktes sinkt stark ab, sodaß sich schließlich die verklebten Papiere voneinander trennen lassen. Für den gesamten Arbeitsablauf benötigt der Restaurator zwischen dreißig und fünfzig Minuten. Diese Erfindung erhält nachfolgenden Generationen die Schätze der Albertina in unbeschädigter Form.

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