Mehr Fisch als Fleisch

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Wenn etwas nicht ganz gut, aber auch nicht ganz schlecht ist, sagt man "Das ist nicht Fisch, nicht Fleisch“. Das gilt auch für die Aufführung von Bertolt Brechts "Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ am Schauspielhaus Salzburg.

Es geht in dem Stück um die Weltwirtschaftskrise 1929/30, die übelsten Zeiten des Kapitalismus, illustriert an den Mechanismen der Fleischindustrie in Chicago. Ein Heer von Arbeitslosen, ständig sinkende Löhne - 70.000 Brot- und Arbeitslose. Als angebliches Heilmittel wird angeboten: Ein Drittel weniger Arbeiter und zwei Drittel weniger Lohn. Also genug, um zu "verrecken“.

Da tritt die Heilsarmee dazwischen, voran Johanna Dark, eine seltsame Heilige, sich selbst immer treu, auch im Scheitern. Vor ihrem Tod sieht sie, wie sie der oberste aller Unternehmer, Pierpont Mauler, gegängelt und mit scheinbarer Menschenliebe hinters Licht geführt hat. Einmal die Zeitung aufgeschlagen: Jeden Tag, irgendwo auf der Welt, auch im heutigen Europa, gibt es ähnliche Zustände und Vorgänge. Nur die Heilsarmee hat heute bei diesem Flächenbrand ausgedient. Das Thema des Zusammenpralls zweiter Welten - des Kapitalismus und der Heilsarmee - hat Brecht dozierend, predigend, ironisierend abgehandelt, wobei uns heute die verbrecherische Form des Kapitalismus mehr auf den Nägeln brennt.

Zu ungenaue Inszenierung

Am Schauspielhaus Salzburg wirkt Johanna Dark, die Dunkle, allzu intellektuell: Sinnika Schubert ist nicht das sendungsbewusste Heilsarmee-Dummerchen, das glaubt, Maulers Hilfe für die Scharen der Armen und Arbeitslosen gewinnen zu können. Sie ist zwar ganz bei sich und ihrem Dienst, aber sie wirkt um die Spur zu gescheit, als dass sie sich von Mauler derart manipulieren und hinters Licht führen ließe. Im Sterben noch stärkt sie jene Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die sie eigentlich bekämpfen will. Da hätte Regisseur Thomas Oliver Niehaus viel genauer hinhören und -sehen müssen.

Für etwas Farbe und Humor sorgt Katharina Pizzera als Martha, Daniela Enzi geht mit der Rolle der von Not und dem Tod ihres Mannes in der Filetiermaschine schwer gebeutelten Frau Luckerniddle sorgsam und sparsam um. Das Ensemble ist zuverlässig, das Ganze aber im Brecht’schen, hier wenig strukturierten, Textwust leider eben mehr Fisch als Fleisch.

Die heilige Johanna der Schlachthöfe

Schauspielhaus Salzburg

10., 12., 13., 15., 16., 18., 19., 21., 23., 24., 25. Oktober

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