Modernes Entwicklungsdrama

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Die New Yorker Avantgarde-Truppe "Nature Theater of Oklahoma" gastiert nach dem Erfolg des letzten Jahres nun zum zweiten Mal im Wiener Burg-Kasino. Hochprofessionell, präzise und mit unglaublichem Witz setzen sie ihr Biografie-Musical "Life and Times" fort. Insgesamt zehn Teile soll das Projekt fassen, um die begonnene Geschichte zu Ende zu bringen. Vielleicht werden es auch mehr, ist man versucht zu sagen, denn der Inhalt beschreibt die Entwicklung der 34-jährigen Kristin Worrall, die einiges zu erzählen hat.

In einem mehrstündigen Telefongespräch schildert sie den Regisseuren Pavol Liska und Kelly Copper ihre Lebensgeschichte. Und diese ist alles andere als außergewöhnlich, gibt vielmehr en detail sämtliche Banalitäten wieder, die ein Mädchen in einer typischen US-Vorstadt erlebt. In diesem modernen Entwicklungsdrama erzählt der zweite Teil die Phase vom ca. neunten bis zu ihrem 14. Lebensjahr. Schwärmereien für Buben, erste Küsse, komplizierte Mädchenfreundschaften, das schwierige Verhältnis zur Mutter sowie das Selbstverständnis einer Pubertierenden gehören da ebenso dazu, wie die Art, genau das nicht beschönigend zu erzählen.

Beeindruckendes Ensemble

Das "Nature Theater of Oklahoma" packt die Geschichte in ihrer Alltagssprache an, steckt sie aber in eine artifizielle Form: Die sechs Performer tragen verschiedenfarbige Adidas-Trainingsanzüge, der einzige Mann in der Truppe ist weiß gekleidet: Durch sein Erscheinungsbild werden Assoziationen zu Freddie Mercury, dem Leadsänger von Queen, wach - und da die Jahre 1981 bis 1986 zitiert werden, passt er optimal. Robert Johanson und Julie LaMendola sorgen für die Musik, die diesmal leider nicht, wie in Teil 1, live gespielt wird, sondern in oft zweifelhafter Qualität über die Tonanlage erschallt.

Ein äußerst beeindruckendes Ensemble trägt in höchster Präzision diese Sonderform eines Musicals. Eine scheinbar einfache Choreografie imitiert die amerikanischen show choirs, eine beliebte Tanzform an US-High Schools, die allerdings durch eine streng behauptete Ernsthaftigkeit im Gestus der Performer ironisiert wird. Anhand des Kollektivs, das am Ende ca. 20 Personen erweitern, und aufgrund der klaren inszenatorischen Formen stellt sich anhand von Kristins Geschichte aber auch die Frage nach den Systemen, die den Rahmen persönlicher Entwicklungen abstecken.

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