Momentaufnahmen der Heimlichkeit

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Eine Ausstellung in der Wiener Albertina zeigt ausgewählte Werke eines der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts: Gyula Halász alias Brassaï.

Es ist Nacht in Paris. Dunkelheit umfängt die Stadt, die Lichtkegel der Laternen entreißen ihr so manche Szene, hier ein inniges Liebespaar, dort eine Schöne der Nacht, dann wieder ein Grüppchen zwielichtiger Gestalten. Und um die Ecken, in den Gassen schleicht der Fotograf, von dem es heißt, "er jage Bilder. Doch er jagt ganz und gar nichts. Eher schon ist er der Fang, nach dem die Bilder jagen." Es ist, als hätten diese Bilder nur auf ihn gewartet - Brassaï war der erste, der die Ästhetik der urbanen Nächte entdeckte. Eine Auswahl seiner Werke ist zur Zeit in der Albertina zu sehen.

Halász in Transsyvlvanien ...

1899 als Gyula Halász in Transsylvanien geboren, bereiste der spätere Meisterfotograf bereits im zarten Alter von fünf Jahren die französische Hauptstadt, die ihn für sein weiteres Leben nicht mehr loslassen sollte. Die Liebe zu Paris wurde ihm sozusagen bereits in die Wiege gelegt, sein Vater war immerhin Professor für französische Literatur. Doch bevor ihn seine eigenen Wege 1924 in die Seine-Metropole führten, studierte er die Schönen Künste in Budapest und Berlin.

Auch beruflich schlug er nicht gleich die Laufbahn des Fotografen ein. Er begann damit, Artikel für eine ungarische Sportzeitung und verschiedene deutschsprachige Zeitschriften zu verfassen, die Fotos kamen zunächst noch von anderen.

1929 macht er erste Fotografien mit einer geliehenen Amateurkamera, der bald die eigene Voigtländer folgt. Er versteht sich zeitlebens als Handwerker, entwickelt die Negative und fertigt auch die Abzüge selbst an.

... Brassaï in Paris

1932 legt er seinen ungarischen Namen ab und nimmt das Pseudonym Brassaï an, was so viel bedeutet wie "aus Brasso (Kronstadt)". Schon seit seiner Berliner Zeit hatte er immer wieder Kontakt zu Künstlern gesucht, zu seinem Umgang zählten Größen wie László Moholy-Nagy, Wassilij Kandinsky, Oskar Kokoschka und Edgar Varèse, später in Paris sind es Henry Miller, Pablo Picasso und etliche Surrealisten. Henry Miller war es auch, der Brassaï literarisch verewigte. Als "das Auge von Paris" eröffnet der Fotograf dem Schriftsteller in gemeinsamen nächtlichen Streifzügen ein unbekanntes Paris abseits touristischer Trampelpfade.

Neben nächtlichen Gassen und oft düsteren Stadtszenarien, die wie Standfotos aus frühen Kriminalfilmen anmuten, richtete er seine Kamera auch auf die Pariser Mauern, auf denen Zeichen erscheinen, "die denen in den Grotten der Dordogne, im Tal des Nil oder des Euphrat ähneln" - eine Dokumentation von Underground-Kunst der Dreißigerjahre.

Beeinflusst von Picasso und den Surrealisten versuchte er sich als Bildhauer sehr reduzierter Aktstudien und gravierte belichtete Fotoplatten, wodurch er eigenwillige Grafiken mit kubistischen Ansätzen schuf.

Künstler des Urbanen

Brassaï war ein Künstler der Stadt, Natur spielt kaum eine Rolle in seinem Schaffen, allenfalls in Form von winterlich kahlen Alleebäumen, ein paar Sträuchern am Straßenrand oder in ihrer Detailliertheit verfremdeten Nahaufnahmen von Korallen oder austreibenden Kartoffeln. Und er war auch ein Künstler der Nacht, selbst wenn er tagsüber fotografierte, wirkt selbst greller Sonnenschein wie eine Laterne, die nur spärliches Licht bringt in seine Momentaufnahmen der Heimlichkeit.

Und wieder ist es Nacht in Paris.

Brassaï

bis 21.September in der Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien.

tägl. 10-18 Uhr, mittwochs 10-21 Uhr

Brassaï

Herausgegeben von Alain Sayag und Annick Lionel-Marie Verlag Christian Brandstätter

Wien 2003, 320 Seiten, Leinen,

mit zahlreichen Abb., e 69.-

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