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Ohne Angst vor Feedback

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Seit 30 Jahre hat Wien auf eine Britten-Renaissance gewartet, jetzt nach dem Erfolg mit 'Turn of the Screw' stehen Britten-Schallplatten und CDs in allen Geschäften", sagt Rudolf Berger, der als Intendant der Wiener Kammeroper mit seiner ersten Produktion einen vielgerühmten Einstieg hatte.

Er beschert Wien gleich noch eine lang vermißte Wiederbegegnung. Am 16. Dezember hat Jacques Offenbachs Opera bouffe „Die Banditen" nach 40 Jahren wieder in Wien Premiere. Zwar in der deutschen Fassung Caspar Bichters, aber Budolf Berger hofft, daß mit dem Schweizer Clown Dimitri, der Begie führt, französischer Charme und Witz nach Wien kommen.

Neu an der Kammeroper ist auch der Klang des Orchesters. Es stehen nicht mehr die Mitglieder des OBF-Symphonieorchesters auf dem Programm, sondern das Ensemble der Wiener Kammeroper. Das sind Musiker vom „freien Markt", denen Berger „zu wenig bezahlt", bei denen aber die Motivation stimmt.

Der 35-jährige Intendant will auf der Basis seines vielfachen künstlerischen Wissens die Arbeit von Dirigenten und Begisseuren ermöglichen. „Nicht erziehen, eher anziehen, also anlocken," ist sein Credo, Motivation ist das Entscheidende. Seine bisherigen Tätigkeiten im Bereich der Oper - vom Choristen zum Dirigenten, vom Begisseur zum kaufmännischen Direktor - sollen nicht jetzt der Verwirklichung des Direktors dienen. Er möchte handwerkliches Büstzeug anbieten: „Man darf keine Angst vor Feedback haben."

In einem Interview im Jahr 1993 meinte der Begründer der Wiener Kammeroper Hans Gabor, er habe für seine Nachfolge vorgesorgt. Ist Budolf Berger der von Gabor Auserwählte? „Wenn ja, dann wußte ich es nicht", meint er; bei ihm habe der Trägerverein der Kammeroper völlig überraschend angefragt. Damals war er auf dem Sprung nach Paris in die Position des Betriebsdirektors der zwei Opernhäuser, des wichtigen Zweiten. Er entschied sich für die Position des Ersten in einem kleinen Haus und blieb in Wien. Ob er seine Grenzen kenne? „Jede Position ist durchführbar, wenn die Bedingungen stimmen."

Der neue Intendant weiß um die Vorzüge seines Hauses: Er muß sein Publikum nicht in entlegene (Baumgartner) Höhen oder in Kellerbühnen locken, er verfügt über ein „reizendes - im Sinne von Anreiz bietendes" Haus, gerade nur so opernhaft, um nicht Schwellenangst wie die große Schwester Staatsoper zu erzeugen, ein Stammpublikum, „treu im guten Sinne, weil reich an Erwartungen und auch einmal einen Fehler verzeihend" und über eine solide finanzielle Basis. Apropos Schwester - auch wenn Berger der Staatsoper als deren ehemaliger Chefdisponent nahesteht - kann er die Unabhängigkeit der Kammeroper gegen die Besitzansprüche der Opernfamilie verteidigen. Wie einst Hans Gabor läßt er dem Publikum die Wahl, zu den vier abonnierten Opern zwei bloß wahlweise mitzubesuchen. In dieser Saison sind das Erich Urban-ners „Der Rock der Kaisers" und ein Abend mit je einem Gershwin und einem Weill-Einakter.

Noch mehr Neues wird es in den nächsten Jahren geben. Jedes Jahr eine Uraufführung, jedes zweite Jahr ein Auftragswerk. Womit er das legendäre Studio K einer früheren Ära aufleben läßt. In den Fußstapfen der Impresarii der Opernwelt des 19. Jahrhunderts sucht Berger für seine Themen die passenden Autoren. Für eine Oper nach Stefan Zweig „Die Welt von Gestern" hat er den in Südamerika lebenden Österreicher Alfredo Bauer als Librettisten und den jungen Wiener Komponisten Christoph Cech gewonnen und freut sich, daß die beiden gut kooperieren. Voraussetzung für die Vergabe ist Bergers reges und kritisches Interesse an der jungen Oper und deren Komponisten und Interpreten.

Der von der Kammeroper veranstaltete Belvedere-Sängerwettbewerb wurde um die Kategorie Operette ausgeweitet. Auf daß Operetten-Banditen keine Nachwuchsprobleme haben.

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