Mythos statt Leben

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O'Neills "Trauer muß Elektra tragen" unrealistisch inszeniert.

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O'Neills "Trauer muß Elektra tragen" unrealistisch inszeniert.

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Blutig glüht das Säulenportal des düsteren Herrenhauses bei jedem Szenenwechsel auf, und die Drehbühne stülpt seine Innenräume nach außen. Kaltgraue hohe, kahle Räume, die ahnen lassen, hier sind schon Generationen verdämmert. Werner Hutterli hat für Eugene O'Neills "Trauer muß Elektra tragen" im Wiener Volkstheater ein Bühnenbild geschaffen, das zugleich abweisender Tempel wie kalte Grabkammer ist. Es ist das Ambiente für eine Inszenierung, die das 1933 uraufgeführte Stück des amerikanischen Autors dahin zurückführen will, wo es seinen Ursprung hat: in der griechischen Mythologie.

Ob Regisseur Kurt Josef Schildknecht bei seinem präzise wie minutiös langatmig erarbeiteten Konstrukt die Realismus-Intentionen O'Neills bewußt ignoriert oder nicht verstanden hat, wird dabei nicht beantwortet. Zu seiner Zeit war O'Neills Übertragung der "Orestie" des Aischylos auf eine amerikanische Familie des Bürgerkriegs ein kühner Wurf, mit dem der Autor "ein modernes psychologisches Gegenstück zu dem griechischen Schicksalsgedanken" schaffen wollte. Heute sollte eigentlich eher die Modernität von damals wieder hinterfragt werden, doch Schildknecht strebt so zielstrebig, künstlich und geziert archaische Form an, daß es gar nicht dazu kommen kann.

Franziska Sztavjaniks Lavinia (Elektra) bleibt die zwar großartig klassische, aber menschlich wenig glaubhafte Kunstfigur einer tragischen Heldin. Zwischen Form und lebendigem Ausdruck versuchen auch die anderen (Robert Hauer-Riedl, Günter Franzmeier, Erwin Ebenbauer, Tim Kramer, Anja Stöhr) einen spielbaren Weg zufinden. Einzig Nicole Heesters gelingt es, der Figur der Christine (Klytaimnestra) facettenreiches Leben einzuhauchen.

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