Nachdenken über Kohle

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Im Jahr 1984 riefen die britischen Minenarbeiter einen Streik aus. Konfrontiert mit der drohenden Schließung zahlreicher Bergwerke, eröffneten sie den Kampf gegen die Thatcher-Regierung, der mit der nachhaltigen Niederlage der Bergmänner endete. Ein entscheidender Schlag gegen das Selbstbewusstsein der Arbeiter und gegen die Gewerkschaften.

Ich hätte vielleicht nie über diese historische Episode nachgedacht, wenn mich nicht die Kunst damit konfrontiert hätte. Die Kunst erzählt von Kohle? Ja. Mehrfach in letzter Zeit: in Ausstellungen, auf der Bühne. Nicht vom Zaster ist die Rede, nicht von der Marie. Sondern vom Sedimentgestein, das als Träger fossiler Energie der Menschheit den Sprung in die Industrialisierung ermöglicht hat.

Der britische Künstler Jeremy Deller hat die traumatischen Wochen des englischen Arbeitskampfes verfilmt. Ich sah den Film in London und begann über den Wert des Bergbaus für die europäische Identität nachzudenken. Fand mich wenig später auf der Kunstbiennale Manifesta im belgischen Genk, einem ehemaligen Zentrum des europäischen Bergbaus. Die Ausstellung im Hauptgebäude der Zeche aus den 1920er-Jahren, längst verlassen, im Zustand sanften Verfalls. Eine pittoreske Kulisse für einen Kunstparcours durch die Erinnerung an Bergbau und Industrie im 20. Jahrhundert. Wie fern das alles scheint: härteste körperliche Arbeit, Schmutz, Schweiß.

Wir leben mit dem Luxus der "revitalisierten“ Zechen - siehe Ruhrgebiet - mit Kreativbüros, Ausstellungen, Restaurants und Freizeitambiente. Unter Tage wird anderswo geschuftet, weit weg aus unserem Blickfeld. Wir leben mit dem Luxus geförderter alternativer Energiegewinnung.

Auf die globale Realität hat kürzlich der Wissenschafter Bjørn Lomborg hingewiesen: "China hat in den letzten dreißig Jahren 600 Millionen Menschen aus der Armut befreit, und das geschah nicht durch Solarpaneele, sondern indem sehr viel Kohle verbrannt wurde.“

Es lohnt sich, über Kohle nachzudenken.

* Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseums Linz

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