Neonröhren-Vorsehung heute?

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Olivier Messiaens Franziskus-Oper "Saint Francois d'Assise".

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Olivier Messiaens Franziskus-Oper "Saint Francois d'Assise".

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Leben mit einer Ethik ohne Eigentum, in Schlichtheit und Aufrichtigkeit, auf der Suche nach Transzendenz, gegen das kleinbürgerliche Ich. Peter Sellars hat mit seiner Interpretation von Olivier Messiaens Oper "Saint Francois d'Assise" in der Felsenreitschule das Leben des Heiligen Franziskus als Ikone eines der möglichen christlichen Glaubensverständnisses und auch Messiaens ganz persönliche Vorstellung von Leben, Tod und Auferstehung in die heutige Zeit transportiert. Er wurde bei der Premiere der Wiederaufnahme vergangenen Sonntag mit den anscheinend für ihn bereits obligaten Buhrufen bedacht.

Ließe man Sellars' Inszenierung und das nach sechs Jahren noch immer zeitlose Bühnenbild von George Tsypin - bestehend aus einer schiefen Ebene, einem die Felsenreitschule beinahe ganz ausfüllenden Gerüst für Neonröhren, und einem eine Kathedrale versinnbildlichenden Holzgerüst samt drei Dutzend Monitoren - weg, nichts als ein viereinhalbstündiges szenisches Oratorium wäre das Ergebnis. So aber reiht sich "Saint Francois d'Assise" nahtlos in die Reihe der heurigen Festspielinszenierungen ein, die sich Glaubensfragen und Weltanschauungen auseinandersetzen setzen. Die acht Bilder sind ein dauernder Dialog zwischen Saint Francois und Chor, exzellent gesungen von Jose van Dam und getragen vom Arnold Schönberg Chor in der Einstudierung von Erwin Ortner. Routiniert den Herausforderungen Messiaenischer Partitur gewachsen sind Kent Nagano und das Halle Orchestra Manchester. Sowohl stimmlich als auch darstellerisch erfrischend und das weibliche Pendant gegen den klösterlichen Männerbund ist Dawn Upshaw als teilweise sehr schelmischer Engel.

Offen bleibt die Frage, ob und wie man sich im Europa des ausgehenden 20. Jahrhundert noch mit dem Begriff "Vorsehung" frei und unbelastet auseinandersetzen will und kann.

Bis 30 August

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