Noch ein Wort zum Fall Gurlitt

Werbung
Werbung
Werbung

Die vergangenen zwölf Tage haben ein Lehrstück über Medien geboten, auf das man lieber verzichtet hätte: Wie geht reißerischer und fahrlässiger Journalismus.

"Ein geheimnisvolles Licht in der Nacht, ein Mann, der immer allein ist, nicht mit den Nachbarn reden will, sein Haus verkommen lässt - ist Cornelius Gurlitt am Ende ein Fritzl der Kunst?“ Das ist nicht aus der Bild-Zeitung. Vielmehr aus einem heimischen Qualitätsmedium, welches, weil’s zupass kommt, ein fremdgeführtes Interview mit einem wichtigtuerischen Nachbarn für eine Quelle nimmt. Der Vergleich mit einem der widerlichsten Verbrecher: untragbar. Ein anderes Blatt, Kleinformat, gibt dem nächsten Experten eine Bühne. Der Psychologe weiß, wie Gurlitt "tickt“: Dem "übermächtigen Vater“ verdankt er eine Persönlichkeitsstörung, doch darüber könne man "nur spekulieren“. Wie wahr. Wenigstens ist eine Neurose nicht strafbar.

Es geht tiefer. Eine Gratispostille titelt: "Nazi-Kunst: Räuber ist Österreicher“. Ein Unsriger! Wahnsinn. Dieser brutale Verbrecher! Letzteres zwar Unsinn, doch zugetraut wird dem alten Herrn mittlerweile alles. Ein mürrischer Messie, der zwischen Müllbergen haust. Diese Darstellung geht um die Welt, bis eine Augenzeugin zu Protokoll gibt: alles Quatsch. Herr Gurlitt wohnt ziemlich normal. Vielleicht ist er ein reizender Mensch? Keiner weiß es.

Vereinfachung, Verfälschung, Übertreibung, Spekulation, Denunzierung. Es gibt kein Vergehen gegen journalistische Regeln, dessen sich so gut wie alle Medien nicht schuldig gemacht hätten. Persönlichkeitsrechte? Wurscht. Rechtslage? Zu kompliziert, also egal. Enteignet den alten Nazi-Saubartl, ruft die Medienmeute. Die Berichterstattung über den "Fall Cornelius Gurlitt“ ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich seriöser Provenienzforschung und der aufrichtigen Wiedergutmachung historischen Unrechts widmen.

Die Autorin ist Direktorin des Kunstmuseums Lentos in Linz

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung