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Die einstige Erfolgsoperette "Boccaccio" von Franz von Suppé in Helmuth Lohners Regie an der Wiener Volksoper: Viel Italianitá und Dreivierteltakt, aber szenisch kaum neue Ideen.

Pogromartiger Aufruhr; Cancan tanzende Nonnen; ein Dichter mit Dreadlocks und knallbuntem Kostüm: Noch vor einem halben Jahr hätte derartiges auf der Bühne der Wiener Volksoper zu Tumulten im Publikum geführt. Doch für Regisseur Helmuth Lohner und den neuen Direktor Rudolf Berger gelten offenbar andere Maßstäbe. So wurde die Premiere von "Boccaccio" zum akklamierten Publikumserfolg. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es kaum geglückt ist, Franz von Suppés einstiger Erfolgsoperette szenisch neues Leben einzuhauchen. Zu billig ist es, unaufhörlich gehörnte Ehemänner zum Ziel des Spottes zu machen, zu wenig Kitzel vermögen heute die frivolen Novellen des italienischen Dichters Giovanni Boccaccio hervorzurufen. Nur selten gelingt es Lohner, seine Meisterschaft als intelligenter Operettenregisseur auszuspielen - etwa in der gespenstischen Szene, in der sich die Spießer der Stadt zusammenrotten, um die Bücher des verhassten Dichters zu verbrennen.

Da gefriert einem das Operettenlächeln trotz der wunderschönen Musik. Obwohl das 1879 uraufgeführte Werk keine wirklich bekannten Hits enthält, sticht "Boccaccio" mit seiner italienischen Melodik aus dem Genre hervor. Setzten da nicht immer wieder Walzer ein, man könnte glatt vergessen, es mit einer klassischen Wiener Operette zu tun zu haben. Marc Piollet, der das Orchester der Wiener Volksoper leitet, schwelgt ebenso in der Italianità wie im Dreivierteltakt und macht diesen "Boccaccio" zu einer musikalisch restlos überzeugenden Aufführung.

Für die Wiener Note sorgt auch der große Komödiant Heinz Zednik als tumber Barbier Scalza mit seinem köstlichen Couplet, unter anderem über Beinahe-Pleitier und Volksopern-Stammgast Richard Lugner sowie die angeblich nicht winterfesten Eurofighter ("Bis April stehen die still"). Eine hervorragende Leistung des kompakten Ensembles (unter anderen Sebastian Reinthaller, Renate Pitscheider, Adrineh Simonian, Birgid Steinberger), angeführt von Antigone Papoulkas in der Titelpartie, die bei ihrem Volksoperndebüt mit frechem Spiel und kultiviertem Gesang glänzt. Der Titelheld ist bei Suppé ja als Hosenrolle angelegt, um den Dichter nicht als liederlichen Verführer zu zeichnen, der die Frauen flachlegt, sondern als leuchtendes Vorbild, das sie aufrichtet.

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