6858144-1977_24_12.jpg
Digital In Arbeit

Mißhandelte Operette

Werbung
Werbung
Werbung

Die Wiener Operette tut mir allmählich leid. Überall wird an ihr gezupft und gezerrt, ein jeder zaust sie ungestraft, sie und ihre Texte. Und wenn das Ergebnis dann laut und unkultiviert, von Klamauk und billigen Gags strotzt, heißt es, die Operette ist halt so ein verblödeltes Genre. Gottlob, sie ist es nicht. Auch wenn die Wiener Volksoper mit Edwin Zbonek am Regiepult diesmal zum, ich weiß nicht wievielten Mal, erneut den Beweis antreten wollte. Franz von Suppės ,ßoccaccio” ist ein Meisterwerk und wartet weiterhin darauf, kultiviert inszeniert zu werden.

An diesem „Boccaccio” ging jedenfalls allerhand in die Binsen. Eine ganze „Vermißtenliste” müßte man aufstellen: soviel nämlich, ohne das „Boccaccio” nicht spielbar ist, habe ich da nicht gefunden… An Sängern- für „Boccapcio” müssen durchwegs erste Kräfte her, wenn man dieses Meisterwerk als große Staatsoperette herausbringen will; an echtem Wortwitz, wenn man sich schon zu einer Textneufassung entschließt (hier von Felix Dworak), an optischem Zauber- Walter Hoesslins alte Bühnenbilder enttäuschen, weil sie gräßlich knallig angemalt wurden und in ordinärem Rot leuchten. Florenz aus einem Comic Strip; und Roswitha Meisels Kostüme stehen an Buntheit kaum nach. Aber auch an Balletteinlagen - was Heinz Spoerli da an witzlosem Getau- mel auf die Bühne bringt, ist bloß peinlich. (Wie man bloß auf die Idee kam, den jungen Choreographen Spoerli für eine Operette einzuteilen?)

Zwei Künstler haben sich allerdings profiliert: Herbert Prikopa als Dirigent. Da ist ein Operettenkenner am Werk. Einer, der sich aus Operette noch etwas macht und keinen Moment lang findet, daß das „fade Gedudel” durch falsche Tempi oder knallige Effekte aufgemascherlt gehört. Ihn hoffe ich in Hinkunft oft am Pult der Völks- oper zu finden. Vielleicht ändert sich dann doch noch einiges… Und Julia Migenes als Faßbinderin ist eine Bombe wie stets. Apart, temperamentvoll, witzig. Ihre Flirtszene mit dem Prinzen Heinz Ehrenfreund hat Charme. So müßte diese ganze, viel zu laute, derbe Inszenierung aussehen. Da stimmen die Töne, trotz soviel Ulks.

Peter Minich, Hans Kraemmer, Robert Granzer, Erich Kuchar, Ossy Kolman sowie Sonja Mottl, Anita Ammersfeld, Lilly Stepanek sangen und spielten. Versungen und vertan!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung