Pfusch statt fundierter Kritik

Werbung
Werbung
Werbung

Medienkritik kommt immer gut. Ösi-Kritik kommt immer gut. Beiden Kritiken gemein ist, dass immer die anderen gemeint sind. Zumal, wenn Spiegel oder Zeit den Deutschen Österreich erklären. Hatte das Magazin "leichte Bräune" des Nachbarn bemäkelt, der nun einen grünen Präsidenten hat, erregt sich die Wochenzeitung aus der Heimat von Bild über die hiesige "Publizistik mit der Pauke".

Der Tadel des Wiener Boulevards ist so berechtigt wie die Kritik des rechten Populismus. Doch mehr noch als der Spiegel aktuelle Recherche durch überholte Klischees entwertet hat, erweist die Zeit ihrem Anliegen einen Bärendienst. Sie ignoriert für ihr falsches Österreich-Bild Zahlen, Daten, Fakten: "Konkurrenz machen der Krone in Wien und den meisten Bundesländern nur die Gratisblätter", heißt es da. Diese aber spielen abseits von Ostösterreich keine Rolle, und in fünf Bundesländern hat die ortsansässige Tageszeitung mehr Leser als das Kleinstformat aus Heiligenstadt. Weiters behauptet das Hamburger Weltformat:

"Das größte Anzeigenblatt, Heute in Wien, kommt aus demselben Hause wie die Krone." Auch das ist zumindest ungenau. Die Mehrheit am Heute-Verlag hat eine Privatstiftung unter SPÖ-naher Verwaltung, jene an seiner Digitalgesellschaft die Schweizer Tamedia. Die Krone jedoch gehört je zur Hälfte der deutschen Funke-Gruppe und der Familie Dichand.

Allein diese Umstände böten zuhauf Ansatzpunkte für fundierte Medienkritik. Doch durch die Fehler in ihrer Grundlage verliert nicht nur die Beanstandung an Glaubwürdigkeit. Die auf dem hohen Ross der Qualitätspresse galoppierenden Scharfrichter des Boulevards müssen sich vorwerfen lassen, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben. Dies geschieht leider so oft, dass sie den weltweiten Absturz des Medienvertrauens mitverursacht haben. Die Pfuscher sind nicht immer nur die anderen.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung