Pilsens Urquell sprudelt auch Puppenspielerkunst

Das westböhmische Pilsen hat den Sprung von der Bierhauptstadt zur Kulturhauptstadt Europas geschafft - neben dem Urquell sprudelt im heurigen Jahr Kunst im öffentlichen Raum, der Hauptplatz und das renovierte Fabriksgelände "Depot 2015" sind Eckpfeiler einer Inszenierung, die eine Stadt in ihren Bann zieht.

Im Zeichen der Marionetten

Josef Skupa ist eine Pilsener Legende, der Puppenspieler kreierte in den 1920er-Jahren die legendären Figuren "Spejbl und Hurvínek" - als Vater im Frack und Sohn in kurzen Hosen waren die beiden Idole der Kinder und zugleich Spiegelbild der tschechischen Gesellschaft. Seit geraumer Zeit würdigt ein Museum am Hauptplatz von Pilsen den genialen Strippenzieher, doch Ende August kommt es zu einer Huldigung der besonderen Art. Die ganze Stadt wird im Zeichen der Marionetten stehen: Tagsüber laufen Vorstellungen auf Plätzen und Straßen, die Besucher können in Werkstätten lernen, wie man Marionetten baut und mit ihnen spielt; am Abend geht es dann richtig zur Sache. Zwölf Meter hohe Puppengiganten des spanischen Theaterensembles "Carros De Foc" werden Kopf einer Prozession sein, die vom Hauptplatz zum "Depot 2015" zieht. Der Start liegt zwischen der mächtigen St.-Bartolomäuskirche und drei goldenen Designer-Brunnen, die Symbole des Stadtwappens - Engel, Kamel und Hund - darstellen und eigens zum Kulturjahr errichtet wurden. Der "Feuerwagen" aus dem spanischen Alicante ist eine Performance-Truppe, die sich auf die ganz große Show versteht: Hundert Künstler umkreisen die wuchtigen Marionetten, mittels Seilzügen werden die mystischen Gestalten zum Leben erweckt - garniert mit Tanz, Musik, Akrobatik und faszinierenden Lichteffekten. Darüber wacht, dem göttlichen Auge gleich, ein Heliumballon, der diese Karawane sicher ins Ziel, dem "Depot 2015", führt.

Am Gelände dieser alten Wagenhalle gibt es eine Menge zu sehen: Aus ehemaligen Dampfkesseln formte Bildhauer Cestmir Suska gewaltige Skulpturen und Aussichtstürme der Kunst. In der aufgelassenen Tankstelle stehen Automobil-Objekte von Benedikt Tolar - mit Spiegeln und Metallteilen verkleidet wirken sie wie strahlende Aliens. Das Hallen-Innere ist aufwändig renoviert und bietet Raum für ständig wechselnde Ausstellungen und Projekte. Das "Green House" ist ein Gebäude im Gebäude und vom Designer Werner Aisslinger als Reflexion über Industrie und Natur ausgestattet.

Wenn "Carros De Foc" und ihre Mitstreiter das Open Air-Spektakel beendet haben, werden etwas leisere Töne angeschlagen. In einer ehemaligen Papierfabrik steht die Weltpremiere des Projektes UBUdneS an, das zusammen mit der zweiten Kulturhauptstadt Mons in Belgien realisiert wird. Unter der Regie des gelernten Puppenspielers Peter Forman - Sohn von Oscarpreisträger Milos Forman - wird eine Marionetten-Variation des Stückes "König Ubu" von Alfred Jarry auf die Bretter gebracht. Kernpunkt dieses Schauspiels sind Schein und Sein politischer und wirtschaftlicher Macht - in heutigen Zeiten aktueller denn je!

Rummel und Rock-Band

Der Australier Neville Tranter lässt im Skupa-Museum Elvis Presley als "The King" performen und mit Peter Saunders ist ein weiterer Star der Marionetten-Welt in Pilsen am Werk. Er schuf die skurrilen Gestalten für Tim Burtons Filme "Sleepy Hollow" und "Frankenweenie" und Wes Andersons "Chicken Run" - im September können Besucher mit dieser Ikone des Animationsfilms philosophieren.

Nach dem gigantischen Rummel um Riesenfiguren und Action pur gibt es einen Herbst des Kulturjahres im doppelten Sinn. Wenn im Oktober die Blätter fallen, tritt die legendäre Rock-Band "Deep Purple" - mittlerweile angejahrte Herrschaften - zu einem Konzert im Pilsener Stadion an. Statt dem feurigen Tanz der Puppen gibt es Welthits wie "Smoke on the Water" - und dazu passt in der Metropole des Bieres ein Krügel Gerstensaft perfekt!

Kulturhauptstadt Pilsen 2015

www.plzen2015.cz/de