Politischer Diskurs auf Weltebene

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Wiener Festwochen I: Shakespeares "Römische Tragödien" im Museumsquartier.

Unmittelbar nach dem Burgtheater-Shakespeare-Marathon "Rosenkriege" hatte Ivo van Hoves sechsstündige Auseinandersetzung mit Shakespeares "Römischen Tragödien" im Museumsquartier Premiere. Van Hove überrascht auch heuer wieder mit einem zeitgemäßen und ungewöhnlichen Konzept: Einerseits verabschiedet er sich von der klassischen Guckkasten-Bühne, andererseits verdichtet er auf vielerlei Ebenen die Illusion.

Auf der Bühne der Halle E ist eine Hotellounge eingerichtet, mit einer Bar rechts, den Maskenbildnern links, wo die Protagonisten für ihre jeweiligen Szenen neu ausgestattet werden. Die Zuseher sind Teil der Szenen, die als Nonstop-Konferenz den politischen Diskurs auf Weltebene repräsentieren. Das Publikum bewegt sich frei im Zuschauerraum und auf der Bühne, sitzt neben den Konferenztischen, an der Bar und nur der schmale Grat zwischen zwei Glaswänden bleibt eine Art Leo (wie man in Wien sagt), also ein Tabu-Raum, der sich im Laufe des Abends als Todeszone etabliert.

Van Hove arrangiert die drei Shakespeare-Dramen als zusammengehöriges Bild über die Mechanismen der Macht. Er startet mit "Coriolan", der als ideologischer Konflikt rund um die Machterweiterung Roms gebaut ist. Shakespeare stellt hier die Rhetorik der Macht in den Vordergrund, die sich vorerst an außenpolitischen Diskursen manifestiert. Während regelmäßiger, kurzer Umbaupausen bilanziert eine aparte Moderatorinnenstimme das Geschehen, verweist auf die Möglichkeit, Erfrischungen an der Bar einzunehmen und ermahnt zur Aufmerksamkeit, wenn die nächste Runde startet. Auf einem Display werden die wichtigsten Informationen zur Handlung sowie die Lebensdaten der sterbenden Helden verzeichnet.

Auf "Coriolan" folgt "Julius Cäsar" mit dem Blick auf innenpolitische Konflikte. Am stärksten und als Höhepunkt aufgebaut ist aber der dritte Teil: "Antonius und Cleopatra". Hier wird Octavius' imperialistischer Traum vor der Folie der Liebestragödie zwischen Antonius und Cleopatra verwirklicht. Es ist auch jener Part, in dem die Bühne nun wieder allein den Schauspielern vorbehalten bleibt. Dennoch verliert die Inszenierung nichts von ihrem unmittelbaren Charakter, dem Reality-Effekt, da mehrere Monitore das Spiel in Nahaufnahme (auch hinaus in den Foyerbereich) übertragen. Die Kamera arbeitet unauffällig und versteckt, denn nicht die "Ausstellung" des Spiels ist hier das Ziel, sondern die Wirkung der totalen Authentizität. Das bedeutet auf spielerischer Ebene etwa auch den Einsatz einer echten Schlange, um Cleopatras Selbstmord zu demonstrieren.

Bei van Hove sind die Römischen Tragödien Fallstudien für die Analyse der aktuellen Wirtschafts- und Weltpolitik. Hektisch werden die Kurse der privaten und politischen Aktien verhandelt.

Dass in den sechs Stunden eine kontinuierliche Verdichtung stattfindet, liegt vor allem am Spiel des hervorragenden Ensembles, das die Gleichzeitigkeit von theatraler und filmischer Darstellung exzellent beherrscht und van Ivos Authentizitätstheater zu einem der Highlights der Festwochen macht. Dass man sich bei soviel Unmittelbarkeit mit der Lektüre der deutschen Übertitel noch beschäftigen muss, bleibt als einziger Wermutstropfen zu nennen.

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