Pop in rauchigen Bildern

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Eine Band ist nur dann gut, wenn sie einen Sound findet, der sie unverwechselbar macht. Dieser Sound bestand bei den "Four Seasons" zuallererst aus der Stimme ihres Lead-Sängers: Frankie Valli, bürgerlich Francis Castelluccio, hatte ein besonders ausgeprägtes Organ: Er konnte die in den 50er-und 60er-Jahren üblichen Früh-Pop-Schunkler mit einer eindringlichen, ziemlich hoch gelagerten Stimmlage ins Publikum schmettern, sodass kein Frauenherz unversehrt blieb.

Zusammen mit Bob Gaudio (Erich Bergen), Nick Massi (Michael Lomenda) und Tommy DeVito (Vincent Piazza) nahm Fankie Valli (John Lloyd Young) 1956 zunächst unter dem Namen "Four Lovers" eine Single auf, doch der Durchbruch gelang der Band erst Anfang der 60er-Jahre, als sie ihren Namen änderte und Nummer-1-Hits wie "Sherry","Big Girls Don't Cry" oder "Walk Like A Man" veröffentlichte.

Die Geschichte der vier Musiker aus New Jersey ist aber nicht nur geprägt von vielen Chart-Hits, erinnerungswürdigen TV-Auftritten und Kollaborationen mit genialen Musikern wie Fats Domino, sondern hat auch eine dunkle Seite. Sehr früh begibt sich die Band -oder zumindest einige ihrer Mitglieder -auch in die Abhängigkeit von zwielichtigen Gangstern (manche sagen: Geschäftsleuten) wie Gyp DeCarlo (Christopher Walken, wunderbar!). Sie sind nicht nur ihre Protektoren, sondern zugleich auch ein brennender Stachel in der Haut. Die Mafia macht Geschäfte, da bleiben menschliche Interessen meist hintangestellt. Es kommt wegen interner Streitigkeiten und Schulden schließlich zur Trennung der Band, auch, weil Lead-Sänger Valli bald an eine Solo-Karriere denkt.

Viel Musik, genügend Nostalgie

Clint Eastwood hat mit "Jersey Boys" nun die Geschichte der Band verfilmt, die es als gleichnamiges Broadway-Musical bereits zu großen Erfolgen gebracht hat. Abgesehen von einer kleinen Selbstreferenz (in einer Szene läuft im TV ein Film mit Eastwood in der Hauptrolle) hat Eastwood für sich Neuland betreten: Eine Musical-Verfilmung hat es unter seiner Regie bisher nicht gegeben, wobei er sich dem Genre betont stilbewusst nähert: Seine Darsteller sind allesamt ausgebildete Broadway-Künstler, die ihre Musik tatsächlich selbst eingesungen haben. So vermied Eastwood, in die Falle vieler Musicals zu tappen, bei denen ein Hollywood-Star vorne am Mikro steht und nur so tut, als ob er singen könnte.

Die frischen Gesichter sorgen zudem für wenig Ablenkung von der Story; man kann sich auf die Band und ihre Songs richtig einlassen. Es sind die vielen musikalischen Einlagen, die Auftritte in Clubs, Bars, Hallen und im TV, die "Jersey Boys" auszeichnen: Mit viel Liebe zum Detail inszeniert Eastwood die Pop-Branche der 60er-Jahre -vom Haarschnitt bis zu den Glockenhosen.

Dieser musikalische Bonus peppt den Film ordentlich auf, denn letztlich ist seine Geschichte die originellste nicht: Eine Band, ihr Aufstieg und ihr obligatorischer Fall -all das hat man schon häufig im Kino gesehen. Die privaten Befindlichkeiten der Bandmitglieder, allen voran die von Sänger Frankie Valli, streift Eastwood nur an der Oberfläche. Zu sehr zeigt er sich begeistert vom musikalischen Part seiner Verfilmung, die dadurch mit 134 Minuten auch relativ üppig ausgefallen ist. Da und dort hätte Eastwood die Schere ansetzen können, um seine Geschichte noch straffer voranzutreiben.

Im Grunde aber gelingt dem mittlerweile 84-jährigen Regisseur eine einigermaßen launige Musical-Verfilmung, die viel Musik, etwas Humor, genügend Nostalgie und auch die Lebensart der damaligen Zeit transportiert. Bemerkenswert daran ist vor allem die Tatsache, dass in den 60ern scheinbar alle immerzu eine Zigarette im Mundwinkel stecken hatten. Was wären auch die legendärsten Musiker ohne die rauchige Atmosphäre in den Clubs, in denen sie auftraten? Es wäre nur der halbe Spaß gewesen.

Jersey Boys USA 2014. Regie: Clint Eastwood. Mit V. Piazza, J. L. Young, S. Schirripa. Warner. 134 Min.

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