Thema: Bekehrungen
Was eine Bekehrung bedeutet, hängt vom Kontext ab. Ob militante Evangelikale in Bagdad Bibeln verschenken, ob eine Christin in Israel den Glauben ihres Verlobten annimmt, ob ein junger Arbeitsloser in Wien zum Protestbuddhisten wird, das sind große Unterschiede. Bekehrung ist keineswegs in jedem Fall mit Radikalisierung gleichzusetzen.
Und auch was die potenziell gewalthaltigen Protestkonversionen angeht, lohnt es sich, genau hinzusehen. Dass junge Menschen in einer globalisierten Welt, die ihnen keine Perspektiven bietet, Sicherheit in fest umschriebenen religiösen Lebensformen suchen, ist nämlich nur allzu verständlich. Kaum je hat mir das jemand deutlicher vor Augen geführt als Jasmila ˇZbani´c in ihrem neuen Film "Na Putu“: Amar, traumatisiert vom Bosnienkrieg, flieht in den Alkohol und verliert so seinen Job. Orientierungslos geworden fühlt er sich von aggressiv missionierenden Wahhabiten angezogen, die ihm eine klare Identität, Arbeit und Gemeinschaft versprechen. Luna, seine Verlobte, folgt ihm nicht in die neue Lebensform, sondern bleibt der liberalen muslimischen Lebensform des urbanen Sarajevo treu. Aber auch sie muss sich in der Disco von einer Freundin fragen lassen: Würde ein bisschen mehr Moral uns, die wir jeden Fun für legitim und cool halten, nicht auch gut tun?
"Na Putu“ nimmt deutlich Partei für Freiheit und gegen Gruppierungen, die auf Kosten der Selbstbestimmung trügerische Sicherheiten versprechen. Und dennoch lädt dieser Film zum Nachfragen ein: Welche Defizite in der scheinbar alternativlosen Konsumkultur postmoderner Global Player bringen Menschen zu radikalen Kehrtwendungen? Warum schaffen wir aufgeklärt Religiösen es nicht, jungen Leuten, die sich im globalisierten Durcheinander verlaufen haben, Heimat zu sein?
* Die Autorin ist Germanistin, evangelische Theologin und Buchautorin. Sie lebt in der Ostschweiz
