Psychotische Klarheit

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"Kunst aus Gugging" in der Klosterneuburger Sammlung Essl.

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"Kunst aus Gugging" in der Klosterneuburger Sammlung Essl.

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Künstler sehen die Welt anders als Normalsterbliche, Menchen, die ihr Leben in einer psychiatrischen Heilanstalt verbringen, tun das auch. Die Künstler von Gugging drücken ihre Sicht der Welt oder des eigenen Ich in einer Unmittelbarkeit aus, die betroffen macht. Gleich am Stiegenaufgang des Schömer-Hauses in Klosterneuburg, der ein wenig an eine vergitterte Zelle erinnert, hängen Oswald Tschirtners "Menschen", 13 grafische Profile, einer wie der andere, die gleich Lemmingen an einer Linie hängen. Das Thema findet sich bei Tschirtner öfters, selten wurde die Gleichförmigkeit einer Gesellschaft so überzeugend auf den Punkt gebracht.

Johann Garber wiederum besticht durch seine Auseinandersetzung mit christlichen Themen. Eine heilige Gemeinde ist da zu sehen, in grellen Farben, mit seltsam zahnlosen, erstarrtem Lächeln in den Gesichtern. Die Sintflut, die Arche Noah, der heilige Leopold oder das Paradies finden sich in überbordenden Formen und Gestalten mit Tusche dargestellt. Philipp Schöpkes Darstellung menschlicher Gestalten spricht von unbewußter Grausamkeit, breite Reißverschlußmünder finden sich da, genauso wie bizarr in die Breite gezogene Arme und Beine. In der Sicht der Psychose findet sich eine Klarheit, vor der man sonst lieber die Augen schließt.

August Wallas Bilder schreien in vielfältiger Farbigkeit aus sich heraus, ihre Beschriftung zeugt durchaus von politischem Interesse. Andere Werke enthalten als Bildhintergrund ganze Kurzgeschichten von literarischer Eigenart. Es lohnt sich, einen Blick in die Welt der Psyche zu wagen, selbst wenn man dafür manchmal tief in die Bürogänge des Schömer-Hauses eindringen muß. Stören tut es niemand, die Menschen, die hier arbeiten, leben gerne mit der Kunst.

Bis 1. Oktober.

"Carom.! Kunst aus Gugging", Schömer Haus, Klosterneuburg, Montag bis Freitag, 8 bis 18 Uhr.

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