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Ästhetisch verstaubtes Festwochen-Gastspiel aus Russland

Das Autorenduo Wladimir und Oleg Presnjakow drehen die Terror-Spirale zurück. Am Flughafen sitzt ein Dienstreisender fest: Bombenalarm. Zu Hause liegt seine Frau gefesselt im Bett: keine Vergewaltigung, sondern sexuelles Unterwerfungsritual mit dem Liebhaber. Im Büro hat sich die Sekretärin erhängt, während sich die in kesser Kurzrockuniform gewandeten Kolleginnen gegenseitig quälen. Und abends trifft es die Kinder. "So staut sich alles an, bis sie im unmöglichen Moment explodieren. Wie eine Bombe." Geiselnahmen und Sprengstoffattentate sind die landläufigen Bilder zu Terrorismus, das in Anführungszeichen gesetzte gleichnamige Stück erzählt von den alltäglichen psychischen Attacken. Das russische Regie-enfantterrible Kirill Serebrennikow hat mit dem Ensemble des Moskauer Tschechow Künstlertheater die Dynamik der Aggressions-Spirale in epischer Breite inszeniert. Ungeachtet der Ankündigung von 110 Minuten Spieldauer wird in drei (!) Stunden jeder Gedanke zum gewichtigen Wort, jeder Einfall bis zum bitteren Ende ausgespielt. Altbackene Brecht-Ideen, wie der Einsatz einer Kommentatoren-Figur - hier ein androgyner Jungschauspieler - werden enthusiastisch wie Neuerfindungen zelebriert. Die Raumbühne funktioniert als Baustellen-Laufsteg, eingezäumt in ein Gerüst und Folienbänder, Mikrokosmos der Gefahrenzonen.

Um ungewöhnliche Theaterentwürfe bemüht sich die Reihe forumfestwochen. Umso erstaunlicher ist es, dass hier eine Produktion eingekauft wurde, die ästhetisch schwer verstaubt daherkriecht. Herrlich unfreiwillig-komische Momente ergaben sich allerdings aus der Diskrepanz zwischen pathetischem Spiel und emotionsloser Simultanübersetzung. Gelangweilte Stimmen brabbelten große Rachetexte durch Kopfhörer, die nur gegen den Einsatz eines Ausweises im Wert von 150 Euro geborgt werden durften. Ein Abend Publikumsterrorismus.

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