Religionen und die Weltzukunft

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Jos in Zentral-Nigeria: um dieselbe Zeit und nur einige hundert Meter von einander entfernt zerstören ein Mob christlicher Jugendlicher einen von Muslimen frequentierten Markt und eine Horde muslimischer Jugendlicher ein Augustinerkloster.

Die Stadt Jos liegt im Grenzbereich zwischen dem großteils muslimischen Norden und dem vorwiegend christlichen Süden Nigerias. Bei ähnlichen Zwischenfällen 2001 und 2004 gab es dort tausende Tote.

Geographisch weit weg und doch dasselbe Muster: die sich gerade in den letzten Monaten immer wieder gewaltsam entladenden Konflikte zwischen Muslimen und Hindus auf dem indischen Subkontinent.

Gar nicht so weit weg und noch in frischer Erinnerung: der Balkankrieg zwischen zwei christlichen Völkern einerseits beziehungsweise um Grenzen zwischen christlichen und muslimischen Gebieten. Ganz zu schweigen von der noch immer nicht so ganz stabilen Friedensordnung nach dem Nordirlandkonflikt.

In Berlin wiederum bedauerte unlängst der Chef der SED-Nachfolgepartei PDS, das man sich in der DDR nicht zu einem schulischen Religionsunterricht habe durchringen können.

Und nach wie vor ist unbestritten, worauf vor allem Hans Küng und seine Mitstreiter mit ihrer „Weltethos“-Idee hinweist: dass der ethische Kernbestand der religiösen Traditionen der Erde weitgehend identisch ist.

Trotzdem lassen sich Konflikte und Kriege nach wie vor unter Zuhilfenahme von Religionsverschiedenheit drastisch verschärfen. Auf diese Weise wird, was Brücken bauen helfen könnte, immer wieder zur Signalfahne für Mord und Zerstörung.

Wenn Religionsgemeinschaften und deren Führer mit dem Erbe der Aufklärung, mit der Pluralität und Komplexität heutigen Lebens nicht zu Rande kommen und statt dessen mit scharfen Trennlinien und Schwarz-Weiss bis zur Verhetzung punkten wollen, haben sie sich von der Mitgestaltung der Weltzukunft verabschiedet.

Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf/NÖ sowie Universitätsseelsorger in Wien.

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