Erfinder der Schiffsschraube und Homo europaeus: Zum 150. Todestag von Josef Ressel.
So viel steht fest: Josef Ressel verstarb auf der Heimkehr von einer Dienstreise aus der Steiermark nach Triest in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 1857 im "Bayerischen Hof" zu Laibach. Doch dann setzt sogleich die Legendenbildung ein. Auf das Arztrezept, das er in den erstarrten Händen hielt, soll er die Worte hingekritzelt haben: "Der Propeller ist ein Österreicher und soll es bleiben, obschon sich die Völker um ihn streiten."
Ressels Vater war nämlich Deutschböhme, seine Mutter Tschechin. Schon 1861 brachte man an seinem Geburtshaus in Chrudim eine Gedenktafel an und der Stolz auf den "tschechischen Landsmann" ist bis heute ungebrochen: Seit 1924 zeigt ein Denkmal Ladislav Šalouns, des Schöpfers des Prager Hus-Denkmals, den Erfinder "in dem Moment, in dem er sich den Propeller am Hinterdeck denkt"; Ende der Sechzigerjahre wurde das Gymnasium, 1991 der Hauptplatz nach ihm benannt; und am 5. und 6. Oktober kulminiert der diesjährige Ressel-Taumel mit Festkonzert, Gottesdienst, Kranzniederlegung, Buchpräsentation, Ausstellungseröffnung und Sportfest.
Deutsches Wien
Wechselvoll hingegen sollte sich die Ressel-Rezeption im heutigen Österreich gestalten. 1863 erhielt, so die Festschrift zur Enthüllungsfeier, "der deutsche Erfinder ein Monument im deutschen Wien", im Resselpark vor dem Polytechnikum. Österreich wollte noch einmal seinen Führungsanspruch im Deutschen Bund bekräftigen, und so beteiligten sich die an seiner Seite stehenden Bundesstaaten an der Finanzierung. Ganz anders 1893, als auf der Hundertjahrfeier von Ressels Geburt nur mehr von seiner "Liebe zu seinem Vaterland" die Rede war, das Wort "deutsch" aber vermieden wurde. Jetzt ging es darum, das auseinander driftende Reich zusammenzuhalten.
Nach Ausrufung der Republik wurde Ressel in die Rubrik der verkannten Genies eingeordnet und dazu benutzt, der Schuljugend den kleinösterreichischen Patriotismus einzubläuen. 1965 wurde eine Fünfhundertschilling-Banknote mit Ressels Konterfei emittiert, die aber gerade heuer endgültig ihren Wert verloren hat. Die Wiener Technische Universität (die so wie ihr Prager Pendant an einer Resselgasse liegt) vergibt alljährlich einen Ressel-Preis, doch weder sie noch die Alma Mater Rudolfina, an der Ressel studiert hatte, greift das heurige Jubiläum auf.
Slawische Linde
Umso ausgiebiger tut dies die junge Republik Slowenien. Die noch bis zum 3. Dezember laufende große Ausstellung im Slowenischen Technischen Museum in Bistra bei Vrhnika vereint Exponate aus allen fünf Nachfolgestaaten der Donaumonarchie, in denen Josef Ressel gewirkt hat, darunter auch solche aus dem Technischen Museum in Wien. Zur Eröffnung kam aus Tschechien Außenminister Schwarzenberg angereist und dokumentierte so die seit jeher enge Verbindung von Tschechen und Slowenen. Diese Verbindung wird auch in Chrudim sichtbar, wo der Festzug am 6. Oktober seinen Ausgang von der "Linde der tschechisch-slowenischen Freundschaft" nimmt. Die Festrede hält Damjan Prelovšek, der Verfasser der großen Monografie über den Kronzeugen dieser Partnerschaft, den slowenischen Architekten Josef Plecnik.
Sala Ressel
Still wie in Wien ist das Gedenken in Triest, wo Ressel seine Schiffsschraube zum ersten Mal an einem großen Schiff erprobt hat. Die "Sala Ressel" im Museo del Mare wird just heuer umgebaut und Direktor Sergio Dolce lässt eine gewisse Reserve gegenüber Ressels Innovation anklingen, wenn er mitteilt, die zukünftige Exposition werde Ressel "nicht nur in Verbindung mit der Anwendung der Schraube, sondern auch als Erfinder und Forstinspektor präsentieren".
Im istrischen Motovun schließlich, wo Ressel für die Marine Wälder anlegte, ist man zwar so wie in Chrudim auf den "bekannten Sohn der Stadt" stolz, lässt es aber bei einer alten Gedenktafel bewenden, die Touristen immer wieder verwundert. Viel mehr verblüfft wäre freilich der rastlos reisende Josef Ressel, wenn er auf dem Weg ins 60 Kilometer entfernte Triest zweimal seinen Pass vorweisen müsste. Seine erste Frau war Kroatin, seine zweite Slowenin, und er amtierte, wiewohl er eine tschechische Volksschule besucht hatte, in deutscher und italienischer Sprache.
Es wird Zeit, ihn als Homo europaeus zu entdecken.