"Salontirolerei" hat ausgejodelt

19451960198020002020

Die Sommerausstellung im Tiroler Landesmuseum präsentiert den wiederentdeckten Tiroler Maler Mathias Schmid

19451960198020002020

Die Sommerausstellung im Tiroler Landesmuseum präsentiert den wiederentdeckten Tiroler Maler Mathias Schmid

Werbung
Werbung
Werbung

Das "Tiroler Kleeblatt" in München (so benannt vom Schriftsteller Ludwig Steub) - Franz von Defregger, Alois Gabl, Mathias Schmid -, das sich nach Mitte des 19. Jahrhunderts kräftig entfaltet hatte, wurde vom Kunstdenken unserer Zeit recht erbarmungslos entblättert. Die Historien- und Genremalerei war out, übrig blieben gerade noch Defregger und sein Salontirolertum. Seinen gleichaltrigen Malerfreund, Mathias Schmid (1835-1923) aus dem Tiroler Paznauntal, ließ man - sehr zu Unrecht - in Schönheit sterben. Defregger kennt man, Schmid kennt man nicht mehr, obwohl "er seinem Osttiroler Kollegen", laut Museumsdirektor Gert Ammann, "in der malerischen Brillanz und dem Ideenreichtum der Thematik durchaus ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen ist". Wer nun über diesen, seinerzeit hochangesehenen Vertreter einer bäuerlichen Tiroler Genremalerei, mehr wissen möchte, ist eingeladen, sich in der Sommerausstellung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum (bis 28. August) an der Bildwelt Mathias Schmids zu delektieren.

Der gelernte "Tuifelemaler" aus See trat - bewehrt mit einem christlichen Stipendium - an der Münchner Akademie bei Piloty (Kultfigur einer zukunftsweisenden Historienmalerei) mit typisch tirolerischem Eigensinn seinen Weg an.

Die 44 Gemälde im Ferdinandeum - Leihgaben des Lenbachhauses und der Neuen Pinakothek, München, des Nationalmuseums Budapest und privater Besitzer - sprechen für sich: prachtvolle Zeugnisse eines Realismus der koloristischen Ton-in-Ton-Malerei, weitab vom ausgeisternden Nazarenertum; nahezu impressionistische Lichtspielereien, die der Schule von Barbizon nahestehen. Themen, in denen sich's ausgejodelt hat und die der idealisierenden "Tirolerei", Marke Defregger, den Kampf ansagen. Schmid erzählt von Not und Armut des Landvolkes ("Die Karrenzieher", 1872), von moralischen Zwängen, Machtmißbrauch eines überheblichen "Pfaffentums" und der Auseinandersetzung mit der sogenannten Glaubenseinheit Tirols ("Die Vertreibung der Zillertaler Protestanten", 1877). Und daneben Landschaftsbilder, leicht, lichterfüllt, durch und durch lebendig, nicht vom obligatorischen Ateliermief umwallt, sondern in freier Natur entstanden. Lauter Werke, die am "Schönen Schein" der lieblichen Alpenwelt bedenklich kratzen und Proteste und Neid herausforderten! Zwar stellte sich Piloty auf Schmids Seite und lobte zum Beispiel seinen "Herrgottshändler" als "das bedeutendste, das seit Dezennien gemalt worden ist", doch die Paznauner Patrioten dachten sogar daran, den Revoluzzer "zum warnenden Exempel durch die Gendarmerie abholen zu lassen".

Wie auch immer, Schmids Aufstieg zum "Künstlerfürsten" schien vorprogrammiert, obwohl er sich nie als solcher sehen wollte. Seine Bilder reisten bis nach Frankreich und Amerika; in seinem noblen Künstlerhaus in München scharten er und seine Frau einen prominenten Freundeskreis um sich: Franz von Lenbach, Wilhelm Busch, Peter Rosegger, Adolf Pichler, Ludwig Ganghofer. Die "Goldene Medaille für Wissenschaft und Kunst", das "Ritterkreuz des Franz Josephs-Orden" sind nur zwei in einer Reihe von Auszeichnungen, die ihm zuteil wurden, nachdem er die Erhebung in den Adelsstand und seine Berufung an die Münchner und Wiener Kunstakademien standhaft abgelehnt hatte.

Hat sich Mathias Schmids Schaffen auch in späteren Jahren vermehrt der besinnlich-humorvollen Anekdote verschrieben, so bleibt es doch sein Verdienst, der oberflächlichen Leichtigkeit einer Tiroler Genremalerei wertvolle sozialkritische, politisch pointierte Akzente gesetzt zu haben.

Neben der Ausstellung im Ferdinandeum ragen auch das neuerrichtete Schmid-Museum in Ischgl, sowie die Monographie über Mathias Schmid von Petra Luger (Tyrolia Verlag, Innsbruck, öS 390,-/E 28,34) entsprechend zur Rehabilitierung dieses großen Tirolers bei.

Bis 29. August 1999 Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck: , täglich 10-17 Uhr, Do Abendöffnung 19-21 Uhr

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung