Schöner Regie-Erstling übers Nicht-Erwachsenwerden in Berlin

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Ganz, ganz leise gleitet er aus dem Bett, versucht das Mädchen schlafen zu lassen, während er sich anzieht: Niko Fischer (Tom Schilling) meint es eigentlich gar nicht böse, wenn er sich rausschleichen will, doch er hat einfach keine Lust, mit seiner Freundin zu frühstücken. Und ob er überhaupt noch mit ihr zusammensein will, weiß er auch nicht so genau. Dummerweise wacht sie dann doch auf, und stellt ihm genau diese Frage: Was soll das noch mit uns? Keine Ahnung? Nun - dann eben nicht.

Niko, der Antiheld in "Oh Boy!“, ist 27, hat wegen einer kleinen Sauftour soeben den Führerschein verloren, das Jus-Studium hat er schon vor zwei Jahren geschmissen. Job hat er keinen, seine neue Wohnung ist noch ohne Möbel, Geld kam bisher immer vom strengen Vater (Ulrich Noethen). Das alles ist nicht böse gemeint, Niko braucht einfach noch eine Weile, bis er mit dem beginnen kann, was die anderen so als "richtiges Leben“ bezeichnen - auch wenn das in Jan Ole Gerstners Regiedebüt "Oh Boy!“ nicht besonders verlockend erscheint, dieses richtige Leben. Das verdeutlichen Niko einige Begegnungen an diesem einen Tag: Etwa der Psychologe, dessen Einschätzung er braucht, um wieder an seinen Führerschein zu kommen, und der sich als zynischer Menschenfeind herausstellt. Oder der neue Nachbar (Justus von Dohnányi), der mit Schnaps und Fleischbällchen vor der Tür steht und unvermittelt vom Drama seiner krebskranken Ehefrau erzählt. Oder das schöne blonde Mädchen in der Bar, das sich als alte Schulkollegin vorstellt und meint, es sei eh kein Wunder, dass er sich nicht erinnere, denn früher sei sie dick gewesen, und er als Klassenschwarm hätte sie niemals auch nur angesehen.

Niko Fischer, Studienabbrecher, Herumtreiber und Inbegriff des Berliner Slackers, beginnt seinen Tag mit der eher zufälligen Trennung von seiner Freundin und beendet ihn schließlich nur mit dem vagen Gefühl einer Neuorientierung. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten ist Gerstner ein radikal linearer, wunderschöner Film gelungen, eine Liebeserklärung an Berlin, deren Schwarz-Weiß-Bilder die Stadt von innen strahlen lassen, und zugleich eine überraschend existenzielle Auseinandersetzung mit dem, was das Leben ausmacht. (Magdalena Miedl)

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