Schroffe Felsen, abstrahiert

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Nino Malfatti ist im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum eine Retrospektive gewidmet, die sich von seinen frühen seriellen Arbeiten bis zu den aktuellen Bergbildern spannt. Wer sich von Letzteren naturalistische Darstellungen erwartet, wird freilich enttäuscht.

Nino Malfatti gilt als Bergmaler. Das war er aber nicht immer - und ist es auch heute im traditionellen Sinn nicht, wie eine Retrospektive zeigt, die ihm im Innsbrucker Ferdinandeum gewidmet ist. Präsentiert werden über fünfzig Arbeiten des Tiroler Künstlers, der aber schon vor Jahrzehnten den Weg über Wien nach Berlin gefunden hat. Von den frühen 1960er-Jahren spannt sich der künstlerische Bogen bis ins Jahr 2011.

Museumsdirektor Wolfgang Meighörner sieht das Werk Malfattis "im Kontext der internationalen Kunstentwicklung“ und findet, dass es "auf die Vielfalt, Schönheit und Besonderheit des Landes“ verweist; zugleich ortet er aber ein hohes Maß an Individualität des Künstlers, der sich mit seinen Interpretationen "bewusst dem öffentlich gemachten Bild von Tirol“ widersetzt.

Malfatti selbst wehrt sich gegen die Bezeichnung "Bergmaler“. Seine frühen Arbeiten - etwa Sakkos und Sensen gepaart und in Serie vor Bäumen, oder schattierte Serien von Metallteilen, Gläsern, Schuhstreckern, Beilen oder Kleiderhaken ("Denk-Mal in der Nacht“) jedweder Form ("Unter Sich“, "Nicht Bügelfrei“) - haben nicht nur eigenartige Titel, sondern bedürfen auch einer umfassenden Assoziationskette seitens des Betrachters. Außerdem signalisieren sie eine gewisse Art von Fadesse.

In den 1980er-Jahren wandern schließlich Maschinen und Maschinenteile in die Landschaft, erste Steinformationen tauchen auf. Noch gepaart mit Vegetabilem, grünen Almen. In "Grünbild - Harmonie“ etwa, entstanden 1982, kombiniert der Künstler Gebeine, Wagenräder und rostige Werkzeuge, drapiert sie in der Landschaft.

Phantastische Kombinationen

Ein Jahr später lässt er in "Weißbild - Die Falle“ Werkzeuge in eine Gletscherspalte purzeln und entwickelt zunehmend Tendenzen in Richtung Darstellung der Berge. Allerdings noch mit artfremden Attributen wie Maschinen, tropischen Vögeln, Elefanten und Feuer. Malfatti selbst konstatiert, "meine Idee, ausschließlich Steine, Felsen und Berge zu malen, entwickelte sich nach und nach aus einem Prozess der Umwandlung“. Von den konkreten Gegenständen und ihren "oft phantastischen Kombinationen miteinander“ führte ihn sein künstlerischer Weg "in diese amorphe oder kristalline Welt der Felsen“, und er begann zunehmend, "sie in ihrer bisweilen unbekannten und geheimnisvollen Gegenständlichkeit vollkommen abstrakt zu sehen“.

Skizzen, Studien und Fotografien werden vor Ort in den Bergen angefertigt, die Bilder entstehen dann danach im Atelier in Berlin, wo Malfatti seit 1974 lebt. Die Hochgebirgsformationen, Felsen und Steinbrüche sind zumeist aus ihrem Kontext gerissen und quasi als abstrakter Gegenstand neu definiert. Ocker, Schwarz, Blau, Grün und Weiß werden zu gigantischen Felsen gehäuft, in Licht und Schatten getaucht, manchmal aber auch mit einer sehr distanzierten Plastizität versehen, sodass der Betrachter, der ob der Darstellungsart die Realität sucht, enttäuscht wird. Auch die Titel Malfattis sind, wie bereits erwähnt, ein Thema für sich, meist antithetisch, was so mancher "als schönes Spiel“ erachtet, "das die Doppelbödigkeit zwischen realer Anschauung und bewusster Illusion verstärkt“. "Das große Gelächter - Herr Unterberger erlebt mit seiner Freundin einen trivialen Sonnentag im Rofan“ lässt aber einen Betrachter, der in Malfatti den Bergmaler sieht und nun vor dem Bild die reale Örtlichkeit zu identifizieren versucht, in Verzweiflung zurück.

Schwerarbeit Interpretation

Einsame, menschenleere Landschaft voller Felsen - im Irgendwo. Die Interpretation Schwerarbeit, die erst funktioniert, wenn man sich mit den Gedanken des Künstlers auseinandergesetzt hat. Für Malfatti ist es spannend, "die geologische Masse eines Berges, […] die filigran gezeichnete und in differenzierenden Farben leuchtende Oberfläche eines am Wegrand liegenden Steines oder einer hunderte Meter hohen Felswand auf der Leinwand neu aufzubauen, ihr neue Dimensionen zu geben, Erosionen und Aufwerfungen zu bestimmen und eine ganz neue sinnliche Welt entstehen zu lassen“.

Nino Malfatti - Die gemalte Zeit

Retrospektive 1968 bis 2011

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

bis 22. April, Di-So 9-17 Uhr

Lesung Adolf Muschg

Anlässlich der Malfatti-Ausstellung liest der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg am Freitag, 9. März, aus seinem noch unveröffentlichten Roman "Löwenstern“ und anderen eigenen Texten (Ferdinandeum, 18 Uhr). Der Büchner-Preisträger Muschg hat sich mit Malfatti intensiv auseinandergesetzt und einen Beitrag für den Katalog zur Sonderausstellung verfasst.

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