Sedlmayr-Mord im Online-Archiv

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Online-Archive ermöglichen zeitlich unbegrenzte Zugriffsmöglichkeiten. Damit drängt sich vor allem in der Kriminalberichterstattung die Frage auf, ob ein ursprünglich zulässiger Artikel später rechtswidrig werden kann. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut die Frage zugunsten des Mediums entschieden: Der beliebte Schauspieler Walter Sedlmayr wurde 1990 in München von zwei Männern ermordet. 1993 wurde L. deswegen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Über den Mordprozess und nachfolgende Wiederaufnahmeanträge von L. wurde intensiv berichtet, zuletzt im Jahr 2004.

2008 wurde L. auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen. Er strengte gegen einen Bericht aus dem Jahr 2005, der in einem Online-Archiv nach wie vor abrufbar war, eine Unterlassungsklage an, weil er darin (noch immer) namentlich genannt wurde.

Die Vorinstanzen hatten L. noch Recht gegeben, der BGH wies die Klage nach einer Interessenabwägung ab: Zwar gewinne mit zeitlichem Abstand zur Straftat das Interesse des Täters von einer Reaktualisierung seiner Tat verschont zu bleiben, zunehmende Bedeutung. Allerdings vermittle das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Straftäter keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden. Die Meldung sei im Jahr 2005 zulässig gewesen und nur mehr in einem ausgewiesenen Archiv zugänglich gewesen. Die Medien nähmen ihre Informationsaufgabe auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar halten. Damit gilt einmal mehr: Ein generelles Verbot der Einsehbarkeit und Recherchierbarkeit bzw. ein Gebot der Löschung aller früheren den Straftäter identifizierenden Darstellungen in "Online-Archiven“ würde dazu führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig immunisiert würde.

Die Autorin ist Medienanwältin und vertritt u. a. den "Standard“

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