Stier gegen Stier - ganz bosnisch

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In seinem Dokumentarfilm "Korida" erzählt der junge bosnische Regisseur Sinisa Vidovi´c von der wenig bekannten Tradition der Stierkämpfe in seiner Heimat.

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In seinem Dokumentarfilm "Korida" erzählt der junge bosnische Regisseur Sinisa Vidovi´c von der wenig bekannten Tradition der Stierkämpfe in seiner Heimat.

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Manchmal ist doch gutes Zureden nötig, damit der eine Stier auf den anderen losgeht. Der betagte Züchter Kinija steht dann neben seinem Tier auf einer Wiese, auf der gleich die Korida, ein Stierkampf, ausgetragen werden soll und stupst es zärtlich an: Los, Tiger!" Also gut, scheint sich der Bulle zu denken und schickt sich an, sein Haupt zu senken.

Stierkampf auf Bosnisch

"Korida" heißt auch der Film, mit dem der junge aus Bosnien stammende Regisseur Sinisa Vidovic, diese Form des Wettkampfs vorstellt, der in Bosnien-Herzegowina eine jahrhundertelange Tradition und vor allem eine wichtige soziale Funktion hat. Als regelrechte Massenevents aufgezogen, finden diese Stierkämpfe, bei denen nur jeweils zwei Tiere gegeneinander antreten und keiner der Bullen zu Tode kommt, im ländlichen Gebiet statt und bringen Bosnier unterschiedlicher Herkunft und Religion zusammen.

Humorvoll beobachtet Vidovic seine sympathischen Protagonisten: Die stets gestylte Renata, die "Königin der Koridas", die mit ihrem Mann Pero eine eigene Ranch und Stierzucht betreibt. Oder auch Neno, den "Doktor" mit guten Kontakten zu lokalen Politikern, der sich unermüdlich dafür einsetzt, dass die Korida im Grmec-Gebirge weiterhin abgehalten werden darf, auch wenn "kritische Stimmen" dort ein Massengrab aus dem Zweiten Weltkrieg vermuten und deshalb einen Standortwechsel erfordern. Nicht nur anhand dieses Stranges etwa gelingt es Vidovic, sich in die Gegenwart eines Landes einzufühlen, in der längst nicht alle Wunden verheilt sind.

Eine Quelle, aus der dieser Film seine besondere lakonische und allen Akteuren aufrichtig zugewandte Qualität bezieht, ist die achtsame Dramaturgie. Mit feinem Gespür für Tempo nehmen sich Vidovic und Ko-Autor Senad Halilbasic ausreichend, aber nie zu viel Zeit, ihre Protagonisten zu porträtieren.

Szenen aus dem Alltag

Oft kann man in diesen Sequenzen aus ihrem Alltag nur anhand kleiner Details sicher sein, dass auch hier schließlich alles mit den Stieren verbunden sein wird: Die schwarze Keramikfigur eines Bullen auf dem oberen Rand des Computers in Traiskirchen zum Beispiel, an dem Marko seinen drei Söhnen Bilder davon zeigt, wie er als damals 14-jähriger Traktorlenker im Tross mit seinem Vater Stipe während des Bosnienkriegs fliehen musste. Oder die Garderobenhaken in Form von Bullenhörnen, die man im Kindergarten der Stadt Kljuc sieht, wo der Stierzüchter und Karatetrainer Mujaga als erster männlicher Kindergärtner arbeitet. Oder auch der Toast, den jemand auf einem Volksfest ausspricht: natürlich zu Ehren eines kürzlich verstorbenen Stieres.

Als idealistisches "Friedensprojekt" taugen die Koridas allerdings nicht, und Vidovic instrumentalisiert seinen Film dafür keineswegs. Spätestens mit den Protesten gegen den Austragungsort in Grmec kann er vor allem das Gefühl offen legen, dass die Menschen sich vom Staat im Stich gelassen fühlen, auch wenn es freie Wahlen gibt. Gutes Zureden funktioniert eben nur über beidseitiges Vertrauen.

Korida

A 2016. Regie: Sinisa Vidovic. Golden Girls Film/CEE Films. 87 Min.

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