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Cho-Cho-San von den Philippinen

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Bregenz, im Jänner

Bregenz hat die junge Philippino Luz Morales schon im „Kleinen Teehaus“ und in einem Liederabend gehört. Nun kam sie mit einem Gastspiel der Städtischen Bühne Ulm als Madame Butterfly im Triumph wieder. Die Maske, die unsere Künstler als Japaner so unecht erscheinen läßt und zur falschen Geisharomantik mit ihrer unerträglichen Süßlichkeit führt, blieb ihr erspart. Luz Morales ist eine Cho-Cho-San mit aller äußeren Beherrschtheit und inneren Gewalt Nippons. Sowohl die restlose Dienstbarkeit gegenüber dem Geliebten und dieser Liebe so unwürdigen Mann wie insbesondere die Sterbeszene waren für europäische Augen ganz ungewohnt, besonders im dritten Akt gerade noch an der Grenze der Erträglichen. Die Intensität des Spieles war zu erwarten, die Beherrschung aller Register der Stimme war eine Ueberraschung. Zum Unterschied von den Japanern sind die Philippinos durch eine vierhundertjährige katholische Tradition gegangen, die sie mit europäischer Musik bekannt gemacht hat. So kam es im Bregenzer Theater am Kornmarkt zu einer künstlerischen Begegnung zwischen Westen und Osten, wie sie bei uns nicht allzu häufig ist. Mit dieser Einladung hat der Direktor des Theaters für Vorarlberg Richard W e- g e 1 e r einen Griff getan, der ihm den Dank der Zuhörer, die aus einem weiten Raum kamen, sichert.

Was um Luz Morales stand und sang, war guter Durchschnitt, der durch die einmalige Leistung der Trägerin der Titelrolle unverdient in den Hintergrund gespielt wurde. Das Orchester hat die akustischen Möglichkeiten des verhältnismäßig kleinen Theaters überschätzt und ließ damit manche Feinheit der Partitur überhören. Musiker und Sänger mußten sich damit abfmden, daß sie den Rahmen für ein Stimmphänomen abgaben, das zugleich eine Darstellerin war, wie sie bei uns noch nicht gewesen ist und auch kaum so bald wieder kommen wird.

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