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Umjubelte Uraufführung von Raoul Schrotts "Gilgamesh" im Wiener Akademietheater.

Ein kleiner kegelförmiger Turm aus Keramikteilen, dahinter das im Schneegestöber versinkende Grab des Gilgamesh - das eindrucksvolle Schlussbild stellt wie das ganze Stück die zeitlos aktuelle Frage: Was bleibt vom Menschen nach dem Tod?

Die jüngste Uraufführung im Wiener Akademietheater hat schon deshalb ihren Reiz, weil sie dem ältesten schriftlichen Zeugnis der Menschheitsgeschichte gilt, dem auf die Sumererzeit zurückgehenden Gilgamesh-Epos. Der österreichische Lyriker Raoul Schrott hat im Auftrag des Burgtheaters seine aus den verschiedenen überlieferten Fassungen des Werkes komprimierte Nachdichtung dramatisiert. Da die Inszenierung von Theu Boermans dem ernsten Thema sehr viel Ironie hinzugesellt (etwa bei der Erzählung über die Formung des Menschen aus Lehm oder beim Bericht über die Sintflut), mundgerecht für die heutige Spaßgesellschaft, bleibt der reichliche Applaus des Premierenpublikums nicht aus.

Gilgamesh, König von Uruk, als Zweidrittelgott angesehener Tyrann, findet in dem in der Wildnis aufgewachsenen, erst durch die Hure Shamhat mit der Zivilisation vertraut gemachten Enkidu einen Freund und Geliebten. Mit Enkidu holt er auf abenteuerliche Weise kostbares Zedernholz aus dem Gebirge und trauert maßlos, als ihm die Götter diesen Gefährten durch den Tod entreißen. Bis an die Enden der Erde dringt Gilgamesh vor, bis zum König Uta-napishti, der als einziger die Sintflut überlebt hat, um das Geheimnis des ewigen Lebens zu ergründen. Doch Unsterblichkeit bleibt den Göttern vorbehalten, die Frage nach dem Sinn eines vom Tod ständig bedrohten und letztlich begrenzten Lebens muss jeder für sich selbst beantworten. Dafür, dass wenigstens sein Name weiterlebt, kann Gilgamesh, den Historiker zwischen 2750 und 2600 vor Christus einordnen, jedenfalls noch sorgen.

Im Zentrum der von Bernhard Hammer gestalteten, Hierarchie signalisierenden Bühne steht eine gläserne Hütte mit der Liegestatt des Gilgamesh - vielfältig verwendbar als Lotterbett, Krankenlager, Totenbahre und Grab. Laufstege mit breiten Stufen - unter der niedrigsten kommt, wie aus einem Käfig, Shamhat, unter der höchsten die Königsmutter Ninsun heraus - führen an beiden Seiten aufwärts zu den an der Rückwand thronenden Göttern. Die Regie rückt sie des öfteren per Video ins Bild und lässt sie damit als Projektionen der menschlichen Phantasie erscheinen.

Das "Epos der Todesfurcht", wie Rilke das Werk genannt hat, kreist auf mythische Weise um die Existenzangst des Menschen zwischen seinen Träumen, der Liebe und dem Tod und diente offenbar auch den Autoren der Bibel als Steinbruch, von der Schlange im Paradies über die Sintflut bis zu den Texten des Buches Kohelet.

Die praktisch ständig auf der Bühne beschäftigten Akteure leisten bewundernswerte Schwerarbeit, allen voran der kraftvolle, bis zum letzten "Aber" aufbegehrende Roland Koch (Gilgamesh). Markus Hering (Enkidu), Dorothee Hartinger (Shamhat), Ignaz Kirchner (Uta-napishti), Kirsten Dene (Ninsun) und Bibiana Zeller (Mammitum) setzen weitere Glanzlichter innerhalb eines starken Ensembles.

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