Triumph der Fernbedienung

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Vor zwei Wochen starb in Boise im amerikanischen Bundesstaat Idaho hochbetagt ein Mann, dessen Namen kaum jemand kennt und der doch unser aller Leben verändert hat. Was hat dieser Robert Adler Bedeutendes geleistet, dass er nicht weniger als einen radikalen Kulturwandel bewirkte? Adler hatte 1956 eine kleine quadratische Schachtel mit vier Tasten konstruiert. Und indem man auf eine dieser Tasten drückte, konnte man auf dem Fernsehapparat mittels eines Signals aus Ultraschallwellen von einem Programm auf das nächste schalten. Die Fernbedienung war erfunden! Ich bin überzeugt, dass diese Erfindung gravierendere Folgen zeitigte als die Erfindung des Fernsehens selbst, zu dessen Zubehör sie doch zählt.

Zapping, wie man die Tätigkeit nennt, die durch Adlers Erfindung möglich wurde - das permanente Hin-und Herschalten zwischen verschiedenen Programmen, ohne sich dafür aus seinem Lehnstuhl bequemen zu müssen - ist ein Wort, das aus der amerikanischen Pionierzeit stammt: Wenn sich die Revolverhelden im Sekundentakt abknallten, hieß es, sie würden zapped. Die gewaltsame Konnotation des Abschießens schwingt in der Kulturtechnik des Zappens noch immer fort.

Dass eine Sendung heute noch von Anfang bis zum Ende angesehen wird, ist die Ausnahme. Wird es langweilig, kompliziert, anstrengend in einem Film, bei den Nachrichten, in der Diskussionsrunde, müssen wir nicht erst die Entscheidung treffen, uns zu erheben und zum Fernsehgerät zu verfügen, sondern können per Klick in einen anderen Kanal hinüberlugen. Damit haben die Sendungen im Fernsehen keinen rechten Beginn und kein echtes Ende mehr, im Zappen lassen wir sie ineinander fließen, bis wir, vor lauter Bequemlichkeit völlig fahrig geworden, selber nicht mehr wissen, was wir am Abend zuvor eigentlich gesehen haben. Die Fernbedienung - Zerstörung des Sehens, Triumph der Zerstreuung.

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