Trügerische Zeitungsstärke

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Zeitungen sind nirgends so beliebt wie in Österreich -sagt das Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford. Sein "Digital News Report" ist Wasser auf die Mühlen jener, die der Existenzbedrohung der Presse noch immer mit Mitteln wie gegen eine Papierkrise begegnen wollen.

Nun ist zwar auch keine Weltuntergangsstimmung angebracht, doch das Kleinreden der Digitalisierung vergrößert lediglich den Rückstand auf den globalen Online-Express. Nicht von ungefähr prophezeit das Future Exploration Network den USA schon für 2017 den gesellschaftlichen Bedeutungsverlust von Zeitungen - Österreich aufgrund staatlicher Fürsorge hingegen erst 2028. Das ist wie die Reuters-Studie kein Anlass für Freude, sondern ein Grund zur Sorge. Denn es bedeutet lediglich: Wir hinken nach. Der langsamere Relevanzverlust des Blätterwalds verzögert den zeitgerechten Umstieg in digitale Sphären.

Welche Nachteile aus der scheinbaren Entkoppelung von internationalen Trends entstehen können, zeigt die jüngere Mediengeschichte. Das Beharren auf dem ORF-Monopol bis 20 Jahre nach dem Start der deutschen Privatsender hat letztlich die TV-Kolonialisierung eher gestützt als vereitelt. ATV und ServusTV bleiben nur jene Brosamen, die RTL und ProSieben-Sat.1 - Europas größte Sendergruppen -übriglassen. Nicht umsonst tritt in der Schweiz schon kein heimisches Programm mehr gegen sie an.

Dieses ordnungspolitische Versagen aus den 1980er Jahren wirkt wie eine Drehbuchvorlage für heute. Statt sich mit Nachdruck den Überlebenschancen einer ganzheitlichen nationalen Informations- und Kommunikationslandschaft unter digitalisierten und globalisierten Rahmenbedingungen zu widmen, geht es mehr denn je um puren Machterhalt. Denn in neun Monaten erhält der ORF ein neues Direktorium. Österreichs medienpolitische Priorität liegt auf dem Gestern.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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