Turnen anstelle von Wettkämpfen mit Schwertergeklirr

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„Die Nibelungen“ von Friedrich Hebbel im Theater Phönix Linz. Dem Wiener Regisseur Volker Schmidt gelang eine inspirative, in sich stimmige Bearbeitung und Inszenierung mit viel Witz und Biss.

Der Wiener Regisseur Volker Schmidt hat für die Jubiläumsproduktion „20 Jahre Theater Phönix“ den gesamten Theatersaal des Hauses an der Wiener Straße zur Bühne gemacht, die Zahl der Protagonisten der dramatischen Dichtung von Friedrich Hebbel (1813–1863) um vier vermindert. Auch den Text hat er erheblich gerafft, aber dafür moderne Textpassagen eingefügt, allerdings ohne Hebbels mythische Figuren zu denunzieren.

Im Gegenteil: Schmidts „Nibelungen“ dürfen ohne Pathos ihre großen Gefühle, aber auch ihre Solidarität und sprichwörtlich gewordene „Nibelungentreue“ voll ausleben. Wer sich im Publikum Wettkämpfe der Recken mit Schwertergeklirr erwartet hatte, erlebte eine Überraschung: Turnen statt kämpfen!

Man stelle sich vor: Das Publikum hat auf der an eine Längswand des Theaters versetzten Tribüne Platz genommen und bestaunt die ungewöhnlichen Versatzstücke, Leihgaben zweier Schulen, die den Theater- in einen veritablen Turnsaal mit diversen Turngeräten verwandelt haben (Bühne: Georg Lindorfer). Da ertönt ein Pfeiferl und man sieht eine Turnerriege in die „Wettkampfstätte“ einlaufen, angeführt vom Burgunderkönig Gunther, in seiner Schwäche gut charakterisiert von Ferdinand Kopeinig. Ihm folgen „im gleichen Schritt und Tritt“ sein Bruder Giselher, von Wenzel Brücher dargestellt als sympathischer Benjamin; Simon Jaritz als böswilliger Hagen Tronje; Theo Helm als versierter Spielmann; und, natürlich, der sie an Körpergröße alle überragende Maximilian Löwenstein als Siegfried: blond, blauäugig und ohne Arg.

Kriemhild, ein Teenager

Und während die Burgunder ihr turnerisches Können an den Geräten zeigen, das sie in einem intensiven Training erlernt haben, sitzt Kriemhild (Judith Richter), ein unscheinbarer Teenager auf einer Sprossenwand, schaut den Helden zu und verliebt sich in Siegfried.

Man weiß auch von dem Deal, zu dem Gunther Siegfried überredet: Bringt dieser ihm die Königin von Island, darf jener seine Schwester Kriemhild heiraten. Allerdings hat Schmidt aus Brunhild eine streitbare lesbische Emanze gemacht und aus ihrer Amme Frigga ihre Geliebte (Agnieszka Wellenger). Was psychologisch betrachtet vielleicht gar nicht so abwegig ist und ihren Widerwillen gegen – vor allem schwache – Männer erklären könnte. Daher konnte es nur einem Helden wie Siegfried gelingen, Brunhild mit Hilfe der Nebelkappe zu besiegen und sie später glauben zu lassen, ihr Gatte, König Gunther, sei es gewesen, dem sie beigeschlafen habe. Doch ist nichts so fein gesponnen … Der Tod Siegfrieds ist beschlossene Sache.

Nach der Pause begegnen wir Kriemhild in Gestalt einer selbstsicheren, mondänen Frau, die seit sieben Jahren mit König Etzel, einem russischen Oligarchen, verheiratet ist, wieder (russische Übersetzungen: Daniel Wagner). Lindorfer hat dem neuen Geldadel einen großen Saal im Stil eines noblen Lofts erbaut, in dem sich auch die obligaten Bodyguards befinden. Man erwartet Gäste, und zwar die burgundische Verwandtschaft vom Rhein, ohne Hagen. Er wird trotzdem kommen. Und es wird den vom Publikum erwarteten Showdown geben als Zeichen einer Zeitenwende. „Das ist der Nibelunge Not“. Musikarrangements Wolfgang Peidelstein.

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