Überraschende Nachrichten aus der Résistance

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Ruth Landshoff-Yorck (1904-1966) brauchte nicht viel Fantasie, um Geschichten erzählen zu können. Ihr Roman "Sixty to Go", 1944 in New York erschienen und jetzt zum ersten Mal ins Deutsche übertragen, greift zurück auf Erfahrungen, die ihr vertraute Menschen zu machen gezwungen waren. Die Entwicklungen in Deutschland während der dreißiger Jahre formten sie zu einem politischen Wesen, bemüht, literarisch jene Stoffe aufzugreifen, die das wüste 20. Jahrhundert charakterisieren. Sie schreibt von Menschen, die aus der Bahn geworfen wurden, nicht resignieren und den Kampf aufnehmen gegen Verhältnisse, die Menschen vorsätzlich dem Abgrund zutreiben.

In Südfrankreich arbeitet im Jahr 1941, als das nördliche Frankreich bereits von der Wehrmacht besetzt ist, ein kleines Team unerschrockener Menschen daran, Leuten, die auf der Verfolgungsliste der Nazis stehen, zur Flucht zu verhelfen. Landshoff-Yorck - bereits 1937 in die USA emigriert, nachdem ihre viel versprechende Karriere als Schriftstellerin durch die Machtergreifung der Nazis schlagartig beendet wurde -kannte die Situation im französischen Widerstand nicht aus eigener Anschauung, aber sie war gut informiert. Personen, mit denen sie früher Umgang hatte, tauchen jetzt im Buch auf in ihrer neuen Rolle als subversive Wesen, allein ihrem Anspruch verpflichtet, vor der Brutalität der Nazis nicht zu kapitulieren.

Historisches Dokument einer Zeitzeugin

Verschwenderisch geht diese Autorin mit Schicksalen um. In dieser Zeit ballen sich Katastrophenmeldungen und Erfolge des Widerstands in einem derart üppigen Maß, dass für Ausführlichkeit der Darstellung bei Landshoff-Yorck kein Platz bleibt. Dabei ließen sich aus beiläufig erzählten Episoden wuchtige Erzählungen schlagen. Comtesse Maria de Roseray, von allen nur Darling genannt, ist eine Person von unschätzbarem Wert für den politischen Untergrund. Wie sie den deutschen Botschafter Otto Abetz verführt, ihn für die Sache des Widerstands benützt, um sich dann, weil sie ihn loswerden muss, fälschlich zu jüdischer Herkunft zu bekennen, ist auf einer knappen Seite ein Schelmenroman in Pillenform.

Heute lesen wir den Roman weniger als literarisches Kunstwerk denn als historisches Dokument einer Zeitzeugin, die erst jetzt, im Abstand von sieben Jahrzehnten die dringend anstehende Würdigung erfährt. Solange Gestalten wie Ruth Landshoff-Yorck dem Vergessen überantwortet werden, haben die Nazis gesiegt. Jetzt aber -im Aviva Verlag ist bereits ihr fünftes Buch aufgelegt worden -haben wir keine Ausrede mehr. Wir tun uns selbst nichts Gutes, wenn wir auf die Lektüre dieses Romans verzichten. So nah ans Denken und Wirken der Résistance kommt man sonst kaum.

Sixty to Go Roman vom Widerstand an der Riviera. Von Ruth Landsdshoff-Yorck, Übersetzt, hg. und mit einem Nachwort von Doris Hermanns, Aviva 2014.256 S., geb., € 19,40.

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