Unersetzbare, künstlerische Sprache

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Die Schau #Album/Tracks B# bietet einen umfassenden Überblick über das Werk der 1963 in Belgien geborenen Künstlerin Ana Torfs.

Gegenwartskunst beschäftigt sich lediglich mit sich selbst; sie ist im Hier und Jetzt verhaftet # und erzählt im Gegensatz zur Kunst vergangener Epochen keine Geschichten mehr. So ein gängiges Vorurteil gegenüber jüngsten Kunstproduktionen. Keineswegs zutreffend. Eine Erkenntnis, zu der man als Besucher kommt, wenn man die aktuelle Ausstellung in der Wiener Generali Foundation besichtigt. Denn dort zeigt Ana Torfs anhand von zehn großen Installationen, wie gegenwärtige Künstler und Künstlerinnen kulturgeschichtlich bedeutsamen Themen, Personen und Orten zu neuer Aktualität verhelfen können. Die Gründer der deutschen Kommunistischen Partei, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, begegnen einem während des Parcours genauso wie die mittelalterliche Jeanne d#Arc oder der schwedische Naturforscher Carl von Linné aus dem 18. Jahrhundert.

Im Bereich des Dokumentarischen

Die Schau mit dem Titel #Album/Tracks B# bietet den ersten umfassenden Überblick über das Werk der 1963 in Belgien geborenen Künstlerin. Sicherlich, Torfs bewegt sich im derzeit in der Kunst so gefragten Bereich des Dokumentarischen. Zugleich wird deutlich, dass sie ihre politischen, sozialen oder ethnografischen #Studien# in einer multimedialen künstlerischen Sprache artikuliert, die durch keine andere # eine rein wissenschaftliche etwa # ersetzbar wäre. Nicht immer ist der von vielen Kunstschaffenden praktizierte künstlerisch-wissenschaftliche Zugang so überzeugend wie bei Ana Torfs. Denn Torfs Werke sind nicht nur ausgesprochen reflektiert, sondern in ihrer Reduktion und verhaltenen Ästhetik ungemein bilderstark.

In der Installation #Du mentir-faux# (vom Falsch-Lügen) aus dem Jahr 2000 spürt Torfs einer historischen Figur nach, die in unzähligen Texten und Filmen als Teil des europäischen kollektiven Gedächtnisses bereits behandelt wurde: Jeanne d#Arc. Und dennoch gelingt es ihr, diese legendäre Gestalt ausgesprochen gegenwärtig erscheinen zu lassen. Zunächst sieht man auf einer großformatigen Projektionsfläche verschiedene schwarzweiße Porträts eines Frauengesichts. Bis auf den eigentümlich altmodisch wirkenden Pagenschnitt weist nichts auf die historische Figur hin. Erst die zwischen die Porträtfolge geschalteten Textdias stellen den Zusammenhang her. Sie zeigen Auszüge aus den Gerichtsakten von Jeanne d#Arc aus dem Jahr 1431, bringen in antiquierter Diktion jene Fragen, mit denen die historisch-mythische Figur von der Inquisition gelöchert wurde. Dabei konzentriert sich die Künstlerin vor allem auf jene Punkte der Protokolle, die das kirchliche Zweifeln an dem Glauben Jeanne d#Arcs, also Aspekte der Idolatrie (Bilderverehrung), betreffen. So wurde Jeanne d#Arc beschuldigt, die falschen Bilder anzubeten und sich durch das Tragen von Männerkleidung zu einem Abbild eines #Abgottes# gemacht zu haben. Dass es ihr dabei um weit mehr als um die konkrete Gestalt geht, gibt Torfs in einem Gespräch zu verstehen: ##Du mentir-faux# ist weder eine Arbeit #über# Jeanne d#Arc noch #über# die Protokolle ihrer Inquisition, sondern vielmehr eine Arbeit, die die Macht der Fiktion in den Mittelpunkt stellt.#

Ein Erlebnis für alle Sinne

Auf ganz andere, distanziertere, aber nicht minder spannende Art und Weise analysiert Torfs in der Serie #Family Plot #1# fragwürdige Seiten der Kolonialgeschichte. So weist sie mittels 25 schwarzweißen collagenartigen Bildern auf den #sprachlichen Imperialismus# hin und veranschaulicht, wie sich die eurozentrische Weltsicht auch in Pflanzennamen spiegelt.

Ana Torfs# Ausstellung in der Generali verlangt den Besuchern einiges an Zeit ab, allerdings bietet sie dafür ein Erlebnis, bei dem mehrere Sinne gleichzeitig aktiviert werden. #Auch wenn ich in meiner Arbeit Text verwende, versuche ich in erster Linie, einprägsame visuelle Erfahrungen zu erzeugen, wobei das Verhältnis von Text und Bild, Lesen und Darstellen, Hören und Sehen und die damit einhergehende Spannung eine wichtige Rolle spielen.#

Ana Torfs. Album/Tracks B

Generali Foundation

Wiedner Hauptstraße 15, 1040 Wien

bis 12. 12. 2010, Di#So 11#18 Uhr, Do bis 20 Uhr

Katalog hg. v. Sabine Folie und Doris Krystof, e 29,90

foundation.generali.at

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