Vergewaltigtes "Käthchen"

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Wer Heinrich von Kleists "Käthchen von Heilbronn" nicht kennt, wird es durch die Inszenierung von Thomas Bischoff im Grazer Schauspielhaus auch nicht kennenlernen. Denn da blieb fast kein Stein auf dem anderen.

Daß der "gold'ne Knabe" Wetter vom Strahl kahlköpfig ist, die Figuren von Käthchen und seiner Rivalin Kunigunde zusammengelegt wurden zu einer Doppelperson - ebenso wie die des Theobald und des Kaisers, daß man somit zwei Rollen und sehr viel Text eingespart hat, mag noch hingehen; auch daß - natürlich - kein Hollerbusch da ist und Käthchen ihre Traumerzählung hellwach dem sie anbrüllenden Ritter aufsagt. Daß so ziemlich alle Ingredienzen des Ritter-Schauerstücks wegfielen, ist gewiß zu verschmerzen.

Aber warum der Regisseur zur exakt einstudierten und geradezu rituell exekutierten Vorführung eines oratoriumartigen Bühnenweihefestspiels von affektierter Künstlichkeit mit lauter verbissen deklamierenden Akteuren ausgerechnet Kleists - gewiß vielfältig deutbares - Märchenspiel mißbraucht hat, bleibt unerfindlich.

Bischoff zerlegt quasi das Werk in seine Bestandteile und setzt sie danach zum unfertigen Puzzle einer Kurzfassung des Stoffes zusammen. In permanenter Dunkelheit rezitieren und deformieren wandelnde Statuen den Text aneinander vorbei ins Parkett: eine rhetorisch-mimische Etüde von achtbarer Perfektion - brauchbar allenfalls für eine antike Tragödie.

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