Der Dirigent Ulf Schirmer bestimmt Richard Wagners "Siegfried" in der Neuinszenierung im Grazer Opernhaus mit einer faszinierenden Interpretation der Partitur in großer Spannungsdichte und delikater Wiedergabe der kammermusikalischen Feinheiten des Satzes, mit der die Grazer Philharmoniker und einige Sänger in imponierender Weise zu brillieren vermögen. Rühmenswert ist aber auch der wortdeutlich singende Manuel von Senden, der seinen geschmeidigen, tänzerischen Mime in origineller Konzeption beinahe zur Hauptfigur macht.Der regieführende Bühnenbildner Gisbert Jäkel dürfte hingegen
Wer Heinrich von Kleists "Käthchen von Heilbronn" nicht kennt, wird es durch die Inszenierung von Thomas Bischoff im Grazer Schauspielhaus auch nicht kennenlernen. Denn da blieb fast kein Stein auf dem anderen.Daß der "gold'ne Knabe" Wetter vom Strahl kahlköpfig ist, die Figuren von Käthchen und seiner Rivalin Kunigunde zusammengelegt wurden zu einer Doppelperson - ebenso wie die des Theobald und des Kaisers, daß man somit zwei Rollen und sehr viel Text eingespart hat, mag noch hingehen; auch daß - natürlich - kein Hollerbusch da ist und Käthchen ihre Traumerzählung hellwach dem sie
Während das Erzählwerk des Triestiners Ettore Schmitz (1861-1928), der sich als Italo Svevo zwei Sprachnationen zugehörig fühlte, heute weltweit rezipiert wird, sind die meisten seiner Theaterstücke kaum bekannt. Nach dem Erfolg von Svevos letztem Drama "Ein Mann wird jünger", brachte Schauspieldirektor Marc Günther ein weiteres Werk Svevos in Graz heraus."Alberta und Alice" trägt den Untertitel "Die Unterwerfung" und bezeichnet damit bereits das psychosoziale Problem, um das es geht: den raffinierten Kleinkrieg zweier Cousinen aus gutbürgerlichem Haus, der sich in unerbittlichem Haß
Während an unseren Theatern noch immer Stückzertrüm-merer ihr wenig beliebtes Spiel treiben, setzen die Bussen vom Moskauer „Bolschoi” ganz ungeniert auf Tradition und scheinen sich um Interpretations-Unarten westlicher Begisseure nicht zu kümmern. Das ist Balsam auf die Wunden des vom „Be-gietheater” verstörten Grazer Publikums und gewährt ihm und den vielen Gästen einen staunenden, wenn nicht gar wehmütigen Blick ins Opernmuseum. Drei ganze Wochen lang gastiert das Bolschoi-Theater im Grazer Opernhaus mit drei Werken nach Puschkin - in geschickter Adaption der Ausstattung
Einen großen Erfolg konnte Werner Pichler, Schüler der siebten Klasse des Akademischen Gymnasiums in Graz, erringen: Unter 570 Teilnehmern aus 15 europäischen Ländern erreichte er kürzlich den fünften Platz beim Latein-Übersetzerwettbewerb in Arpino (Italien). Damit gelang es erstmals einem steirischen Schüler, unter die siegreichen zehn Gewinner zu gelangen, die mit Geldpreisen ausgezeichnet werden.Gleichzeitig lieferte Werner Pichler die beste deutschsprachige Übersetzung mit Kommentierung. Damit konnte er sich sogar gegen die starke Konkurrenz aus Deutschland durchsetzen.Dieser
Die Nabelschnur des Telefons, die die Frau beim letzten Gespräch mit dem verlorenen Geliebten verbindet, wird zum Instrument ihrer Selbstauslöschung, die ganze Szene zum Abschied - vom Geliebten'und vom eigenen Leben. Seit 1930 ist Jean Coc-teaus Monodrama aus der Steinzeit der Telekommunikation „La Voix humaine” (deutsch: „Die geliebte Stimme”) - allerdings immer seltener - ein dankbares Solo für große Schauspielerinnen.„Theätre pur”, Stoff für die Kunst von Mimen, sollte es nach Cocteaus Wunsch sein, ein „pretexte” für die Artistik der Darstellerin, die praktisch zwei
Mit der letzten Oper des Komponisten Leos Janäcek schließt sich nun der über mehrere Jahre verteilte Grazer Janäcek-Zyklus.Die authentische Fassung des Werkes „Aus einem Totenhaus” wird unter dem erprobten Janäcek -Spezialisten Wolfgang Bozic, in tschechischer Sprache gesungen, zum fesselnden Erlebnis der diesjährigen Frühjahrssaison im Grazer Opernhaus.Die charakteristischen Besonderheiten von Janäceks Schaffen - etwa die trochäisch-daktylische Sprachmelodie als vokaler Grundgestus, die psalmodierende Wiederholung musikalischer Figuren, die Einsprengsel slawischer Melodik, die
Die deutschsprachige Erstaufführung des Stückes „900 Oneonta Street" von David Reaird im Grazer Schauspielhaus könnte ein Reißer sein. Ist es aber nicht.Denn dieses Stück vom Sterben des reichen Mannes und der darauf folgenden Zimmerschlacht um seine Olmillionen ist eine Art Vulgär-Ver-sion amerikanischer Dramenanalytik samt Gerichtstag ä la Stammvater Ibsen. Die Figuren und ihre Konstellation kommen aus Tennessee Williams „Die Katze auf dem heißen Blechdach", wurden radikal ins Ordinäre verzerrt und aufs Kitschniveau der Seifenoper abgesenkt.Den banal ideologisierenden
In der längsten Nacht des eben vergangenen Jahres herrschte auf der Bühne des Grazer Schauspielhauses die kürzeste: Marc Günther inszenierte William Shakespeares „Sommernachtstraum“ keimfrei anti-romantisch, doch nicht ganz ohne Rest-Zauber, der den schön zelebrierten „Morgen danach“ verklärte.In Martin Zehetgrubers klassizistischer Säulenhalle und in Massen von Herbstlaub verschränken sich Traum und Realität weitgehend frei von Charme und Poesie, aktionistisch flott und oberflächlich, in fast brutaler Erotik. Feministin Hippolyta kommt mit ihren Amazonen aus Italien,
Wenn einem Regisseur (Nicolai Sy-kosch) zu einem so vieldeutigen Werk wie der Komödie „Tartuffe” von Mo-liere nur unverbindliche Kasperlia-den im Life-Style einfallen, dann ist das wohl zu wenig - trotz einer griffigen neuen Übersetzung (von Wolfgang Wiens) und trotz sehr engagierter Darsteller.Sykosch setzt für seine Inszenierung im Grazer Schauspielhaus nur auf Tempo, Motorik, Gags - im unbegreiflichen Drang, Molieres Charaktere zu maskenhafter Karikatur zu verzerren: die Jungen als zombiehaf-te Partytiger, ein adoleszenter Clean-te, der wie im Drogenrausch räsoniert, Orgon als
Mit einer publikumsfreundlichen Produktion eröffnet das Grazer Schauspiel die Saison: in der Regie Robert Meyers hat Nestroys „Höllenangst” das Zeug zum Kassenschlager. Vor zwei Jahren hatte er die Posse vom Teufelssüchtigen im Sommertheater Reichenau inszeniert. Nun profitiert Graz. Es ist eine ziemlich genaue Kopie jener von Reichenau, sieht man von der spartanisch nüchternen, aber sehr praktikablen Rüh-nengestaltung (Wolfgang Oppitz) ab. Das ist jedoch kein Nachteil: die Inszenierung ist radikal darstellerzentriert. Der junge Norman Hacker reicht als Wendelin an Meyers vis mi-mica
Christian Pöppelreiters Lesart der Fabel vom „Fliegenden Holländer” deutet aus und nicht um. Somit ist sie durchaus werkgerecht, auch wenn sie manchem Traditionalisten als gegen den Wagner-Strich gebürstet erscheinen mag.Die (zeitverschobene) Co-Produk-tion zwischen Salzburg und Graz stellt in Jörg Koßdorffs blendend weißen Rahmen, der als Folie für eine raffinierte Färb- und Lichtdramaturgie dient, eine kippbare Schräge. Auf ihr vollzieht sich in packender Intensität und hochdramatischer Mimik als konziser Einakter die Ballade von der lebenssüchtigen Senta und ihrem
Vor fast zwanzig Jahren schon hatte sich die dreiaktige Originalfassung von Herzmanovsky-Orlandos „Kaiser Joseph und die Rahnwärters-tochter" bei ihrer Uraufführung in Graz als kaum bühnenwirksam erwiesen. Friedrich Torbergs radikale Rearbeitung wurde somit als dramaturgisch richtig bestätigt. Nun stellte der deutsche Regisseur Thilo Voggenreiter das Original am selben Ort,-am Schauspielhaus Graz, abermals auf den Prüfstand der Rühnenwirklichkeit. Das Ergebnis ist ernüchternd. Und es ist blamabel, weil Voggenreiter Hermanovskys elegant-kauzigen Witz mit dem Holzhammer parodierten
Wenn Christian Pöppelreiter inszeniert, füllt sich das Programmheft mit Sozio-psycho-politologischem. Bei der Grazer „Zauberflöte" trägt dies kaum zur Erhellung Schikane-der'scher Ungereimtheiten bei. Der Verzicht auf Volkstheater und Maschinenzauber führt in den kargen Dekorationen Jörg Roßdorffs zu bunter, aber trockener Lehrhaftigkeit: Monostatos ein tragischer Außenseiter, Papageno eine Dutzendfigur, Pa-mina Hoffnungsträgerin der Menschheit, Sarastro tanzt als bekehrter Tyrann etwas ungelenk im Finale mit.Stefan Lano führt das kleine Orchester und die Sänger mit
Der „Bluthund" ist nicht leicht zu erkennen: Lukas Holzhausens Bichard III. ist ein sanftes Monster, wert- und moralfrei, fasziniert vom Bösen, mit naivdiebischer Freude am Verbrechen. Wie zu erwarten, hat Begisseur Lutz Graf dem Shakespeare „textlich und soziologisch unter die Arme gegriffen" - um ein Wort Torbergs zu gebrauchen. Das bringt zwar dem Besucher eine Menge, dem Zuhörer schon weit weniger, verschleiert jedoch das ohnehin krause Szenengewirr noch mehr.Dieses mimisch grelle, exzessiv krasse Totaltheater mit akrobatischen Einsprengseln, grandios rotierender
Nach der Premiere haben ihm die Grazer Schauspieler die Ehrenmitgliedschaft „auf Lebensdauer” verliehen: Rudolf Buczolich, allzeit Liebling des Grazer Publikums, in dessen Stadt er seine künstlerischen Lehrjahre absolviert hatte. Vor beinahe zwei Jahrzehnten war er hier der Hut-schenschleuderer Liliom in einer denkwürdigen Produktion gewesen. Jetzt inszenierte er selber Molnärs unsterbliche Vorstadtlegende. Pralles, saftiges Volkstheater mit dem Mut zur Akazibam-Poesie, zum Dienstmädelkitsch und zum breiten Dialekt, -so ganz und gar nicht angekränkelt von zeitgeistigen
Ein grasgrüner, extrem steiler Mor-dillo-Hügel füllt die ganz seichte Bühne. Aus seinem Gipfel werden Leitern ausgefahren, auf denen klettern, hängen, hocken die Schiller-schen Bäuber. Doch so lustig ist das nicht gemeint - trotz zirkusreifem Auf und Ab der akrobatisch agierenden Figuren. Markus Dietz' Inszenierung ist ein tief pessimistischer Befund menschlicher Selbstzerstörung durch extremen Individualismus, ein Bild des Scheiterns perspektivenloser Entwürfe: am Ende sitzt nur noch der Tod auf der obersten Leiter. Ein bißchen kunstgewerblich manieriert zwar und nicht ohne
Regisseure aus der Ex-DDR pflegen überall „gesellschaftspolitische Relevanz” aufzuspüren. Bei Richard Wagners „Tannhäuser” macht das keine besonderen Schwierigkeiten, falls man sich über Widersprüche und die Diskrepanz zwischen Text und Deutung einfach hinwegsetzt. Martin Schüler tut das in der Grazer Oper ziemlich ungeniert. Auf seiner Abschußliste stehen Chereaus Gründerzeitbürger, bei deren bigotter Scheinmoral und Prinzipienstarre ein Außenseiter keine Chance hat.Auf der Bühne erscheint der Hörselberg als Nobelbordell mit dem üppigen Bacchanal der Pariser Fassung, der
Den Skandal von Peter Konwitschnys „Aida”- Inszenierung hatte die Werbung bereits einprogrammiert. Das tobende Publikum unterbrach mehrmals den zweiten Akt, Unisono-Buhs jagten den profilierungssüchtigen Regisseur von der Bühne. Dabei spricht einiges für das Konzept: die Intimität von Verdis Musik sollte das Ausstattungsspektakel verdrängen, Abrechnung mit Krieg, Macht, Patriarchat war angesagt. Die Praxis aber zeigte, daß sich die große Oper nicht ungestraft in ein unbedarftes Kammerl sperren läßt, auf dessen knallroter Couch, nicht nur die Figuren der Oper, sondern auch Verdi
Das Libretto zu Leos Janäceks Oper „Die Ausflüge des Herrn Broucek" ist so speziell und kompliziert wie die Musik hiezu schön und geistreich ist. Der Mut Christian Pöppelreiters, dieses „uninszenierbare" Werk zu produzieren, verdient alle Bewunderung. Während die geschickte Adaptierung den Zuhörer im ersten Teil, der Mondfahrt, aus akustischen Gründen zu wenig erreicht, kompliziert und mystifiziert Pöppelreiters Regie den Vorgang noch zusätzlich. Im zweiten Teil, wo Broucek sich in die heroischen Wirren tschechischer Geschichte träumt, dominieren verfremdeten Choräle
Der Obersteirer Bernd Jeschek, einst erfolgreicher Schauspieler in Graz, später als „Eurocop" zu TV-Ehren aufgestiegen, ist bei der Operette gelandet, und zwar als Regisseur. Und hat jetzt anhand von Millöckers gutem alten „Bettelstudenten" im Grazer Opernhaus den Beweis der ungebochenen Lebendigkeit der Operette erbracht. Die Musik bleibt der selbstverständliche Mittelpunkt, erscheint aber eingebettet in ein buntes Szenarium voll rasanter, schlagkräftiger Gags, die mit ironischem Augenzwinkern serviert werden. Dem Debütanten Jeschek und seinem mit Einfällen reich ge-segnten
Weit schwärzer als die Vorlage ist Martin Schülers „Freischütz"-Inszenierung in der Grazer Oper. Die Begriffe „Jagd" und „Jäger" sind extrem negativ besetzt. Bei aller Reserve gegenüber den stark verfremdenden Tendenzen der Regie und deren linksideologischen Pflichtübungen ist dennoch der Respekt anzuerkennen, mit dem Schüler einen neuen Zugang zur Weber-schen Romantik über die Psychologie sucht: seine Inszenierung ist ein um Tiefenschärfe und Drastik bemühter, sehr eigenwilliger Versuch, heute mit Romantik umzugehen. Silvana Dussmann ist eine fast ideale Agathe; Dirigent Mario
„Was passiert, wenn einander der Folterer und sein Opfer später begegnen?“ - dies ist der Ausgangspunkt von Ariel Dorfmans „Der Tod und das Mädchen“. Wie geht der einzelne oder ein Volk mit seiner Vergangenheit um, ohne sie zu verdrängen? Das Stück ist eine vieldeutige, hyperreale, ja ins Mythische weisende Tragödie mit offenem Schluß zum Weiterdenken, ein hochpolitisches Psychodram von größter Aktualität.Die Grazer Aufführung in der „Thalia“ ist in mehrfacher Hinsicht unbefriedigend. Regisseur Thomas Janßen entschied sich nicht für den Thriller, aber auch für keine
Wer sich die neue Musical- Produktion der Grazer Oper ansieht, würde es nicht für möglich halten, daß John Kanders und Fred Ebbs „Sor- bas“ anderswo einmal ein Erfolg sein konnte. Das insgesamt schwache und musikalisch kaum inspirierte Opus ist für ein Sprechstjick zu kleinkalibrig und für ein Musikdrama zu dürftig und zu banal.Das Grazer Ensemble aber, das nur über wenige Musicalexperten verfügt, macht unter der Regie Attila Längs eine lähmende Aneinanderreihung mühseliger Dialoge daraus, die von ein paar Musiknum- mem schlecht und recht belebt werden. Die brav sich drehende
Bichard Bietschacher, Chefdramaturg der Staatsoper, ist Preisträger eines Autorenwettbewerbs des Grazer „Theaters im Keller”. „An der Grenze” heißen die 24 Sketches für zwei Darsteller, mit denen der Autor recht gut das verengte Spektrum, die ganz normale Absurdität des Rentneralltags abdeckt, bald besinnlich, bald kabarettistisch auf Lachwirkung ausgehend.Fast könnte man von einem g'spaßigen Mini-Beckett reden, den Karl-Valentin-Remi-niszenzen und ein bisserl Hor-väth-Flair aufhellen. Ein beachtlicher Erfolg, der vor allem den meisterlich gesetzten Zwischentönen Lisi Slippeks,
Keinen schlechten Griff tat die Grazer Oper mit dem Einkauf der „Norma"-Produktion der Scottish Opera Glasgow. Die Inszenierung von Ian Judge ist abgestimmt auf die klassische Schönheit von Bellinis Oper: klare, ruhige Personenführung, sparsame Gestik, starke Farben der phantasievollen Kostüme (Deidre Clan-cy), großzügige Schönheit des Bühnenraumes (John Gunter).In diesem soliden Rahmen konnte sich der von der Grazer Oper gestellte musikalische Anteil unter der Leitung von Wolfgang Bozic in Wohlklang und Schöngesang entfalten. Die phänomenale Norma der Lucia Ahberti erinnert
Kein musealer Brecht, aber auch kein aktualisierender Akzent: so wird im Grazer Schauspielhaus die „Dreigroschenoper" Szene um Szene, Song um Song in biederer Provin-ziahtät abgespult. Regisseur Oliver Keymis inszeniert - an Brecht vorbei - dessen szenische Ballade von der allgemeinen Korruption als mühsames Gangstermusical in Operetten-, ja Opernnähe.Der Grazer Haifisch hat keine Zähne, — obwohl Alexander Kurzwernhart als Macky Messer einige aggressive Schärfe zeigt und Marianne Kopatz als Frau Peachum das richtige Brecht-Timbre in der Stimme hätte. Ein bißchen mehr Sex als
Der Tragödie ist der Boden entzogen: Seit der Entdeckung des Penicillins und seit dem Aufkommen von Zweifeln an Sigmund Freuds Allheilmethode bleibt von Henrik Ibsens „Gespenstern" höchstens eine dumpfe Assoziation zu einem medizinischen Problem von gespenstischer Aktualität. Und natürlich auch die alte Spannung zwischen Lebenslust und Pflichterfüllung. Doch der Glaube an die Vermehrung von Glücksmöglichkeiten durch Ablegen der Konvention erwies sich halt auch als naiver Optimismus...So hält sich die Inszenierung von Thomas Janßen im Grazer Schauspielhaus klugerweise an die
Im Anfang war Nikolaus Harnon-court. Seine Grazer Herkunft und seine internationale Bedeutung versprachen einem Festival rund um den Maestro sichere Attraktivität. Dem Intendanten Mathis Huber gelang es, mit dem einen oder anderen Motto eine künstlerische und kunstvolle Klammer der Konzerte herbeizuzaubern und die Spielorte der Grazer Altstadt wirkungsvoll zu vermarkten.Nun scheint die Luft dünner zu werden: das Motto ist ein wenig vage, Harnoncourt steht heuer nur in zwei Produktionen zur Verfügung, die Werbung wird immer kesser, fast schon aufdringlich.„Raum und Klang”, das ambulant
Marc Günthers Inszenierung von Karl Schönherrs „Weibsteufel” in der Grazer „Thalia” verhilft dem Werk deutlich zum Ausstieg aus dem Ghetto des Volkstums- und Heimatkitsches, in das ein ungerechtes Verdikt es verbannt hatte. Ibsen und Strind-berg stehen hinter Struktur und Inhalt. Der Betrüger wird zum Betrogenen, der Betrogene zum Betrüger; das als halber Mensch eingestufte Weib („Wir Weiber sind ja nur halbe Leut”) wird zum ganzen Dämon; das Instrument, der Köder, den die anderen benützen, befreit sich todbringend aus der Rolle der „Sache”.Die Inszenierung vermeidet
,,Jenufa" - Mittelstück des Grazer Janäcek-Triptychons: wieder geht es um starke Frauen und deren permanente Diktatur als Vollzieherinnen überkommener glücksfeindlicher Verhaltensdogmen. Verbissen zwängen Regisseur Christian Pöppelreiter und seine Dramaturgenriege die mährische Dorftragödie in ein sozialpsychologisches Korsett, das jedoch kaum Gestaltungskraft in der Realisierung erfährt. So traut Pöppelreiter etwa dem positiven, versöhnlichen Schluß von Janäceks Musik nicht, weil er in sein vorgefaßtes Schema der Perpetuierung von Machtverhältnissen nicht passen will.Für
Wolfgang Bauer ist vom Trivialsurrealismus der letzten Stücke zurückgekehrt zum realistischen Schwank, zum Bierulk und zu den Schnapsbu-denschmähs. Das von steirischen Instanzen bestellte Werk „Die Kantine - Capriccio ä la Habsburg" wurde im Grazer Schauspielhaus bejubelt. Ein Kassenschlager ist angesagt.Theater im Theater: Während ein Stück über den Habsburg-„Ausstei~ ger" Johann Orth gegeben wird, spielt sich die Wirklichkeit dahinter, in der Theaterkantine ab. Die ganze Welt Kantine, das heißt: die Bühne ist Ort der (fiktiven) Ordnung, die Kantine hingegen das ganz
Am Großmutter-Märchen aus dem „Woyzeck" hängt Carl-Hermann Risse seine Grazer Inszenierung von Georg Büchners „Leonce und Lena" auf und gibt damit vor, die absolute Sinnlosigkeit und den Ekel vorm tödlichen Mechanismus des „Mühlwerks" Leben zu thematisieren. In einer mit quälender Bedachtsamkeit hergestellten Künstlichkeit, die selbst den Rüpelszenen einen hochartifiziel-len Anstrich verleiht, wird einem da süffisant und penetrant erläutert, wie wenig lustig doch dieses Lustspiel ist.Ein Leonce (Gerhard Hermann) mit schlohweißem Haar, der vom Bek-kett-Greis zum
„Eine schlampige Arbeit, gar nichts dran", urteilte Franz Lehär über seine Operette „Der Graf von Luxemburg". Dennoch bemüht sich der Leipziger Dirigent Roland Seifferth in der Grazer Oper mit geradezu rührender Sorgfalt selbst um die schwächsten Stellen der Partitur: musikalischer Feinschliff in kammermusikali scher Dezenz statt aufgedonnerter Pseudo-Erotik.Der Kabarettist Werner Schneyder hält im Programmheft eine Menge kluger Aper§us zum Thema Operette bereit. Das Resultat seiner Regiearbeit indes ist kläglich. Seine Absicht, das Originallibretto durch Bearbeitung
Vom Theater vergessen ist die Komödie „Palme oder Der Gekränkte" (1924) des aus Prag stammenden Expressionisten Paul Kornfeld, der 1942 im KZ Lodz umkam. Eine Exhumierung des Stücks vom exzessiv hypochondrischen Neurotiker Palme, der in einer Art Beziehungswahn beim geringsten Anlaß „auf die Palme" geht, hat wohl nur einen literarhistorischen Sinn. Die krause Redundanz der Vorgänge, die kargen poetischen Aufschwünge lassen kühl; die zögerlich versuchte Sozialkritik am Großbürgertum greift nicht, der Witz ist lahm, und das Stück ist lang, geschwätzig und schwer von der
Daß Direktor Marc Günther keine rechte Beziehung zu Ferdinand Raimund hat, dokumentiert auf penetrante Weise seine Inszenierung des „Verschwenders” im Grazer Schauspielhaus. Kreischende Party-Hähne und andere Lemuren einer George Grosz-Society mimen oratorienhaft Flott-wells Freundeskreis, eine fisch-schwänzige Cheristane hält sich grantelnd an die Whiskyflasche, die Jagdgesellschaft schlurft als Trauerzug einher. Lächerlich gewaltsame Hinzuerfindungen werden bemüht: so etwa die Spitzentanzeinlage eines Stubenmädchens, oder der Auftritt einer Schar von Doppelgängern des Helden,
Hugo von Hofmannsthals Wort von der Tiefe, die man an der Oberfläche verstecken müsse, scheint MaestroMario Venzago bei der Interpretation des „Rosenkavaliers” in der Grazer Oper geleitet zu haben. Venzago spürt sie auf, diese Tiefe, an der geschliffenen Oberfläche spätromantischen Klangrausches: Endzeitmomente, Abgründe tun sich auf. Er läßt die Walzerattrappen schlank und durchsichtig als verkappte Ländler erkennen - die Schubertsche Träne ist da, und manche Stellen lassen an die Zweite Wiener Schule denken. In total entschlackter Klangtransparenz ertönt Richard Straussens
Die Revolverobsession in Kathryn Bygelows Film „Blue Steel” hat einen Vorläufer im frustrationsmindern-den Pistolenkult von Henrik Ibsens „Hedda Gabler”. Obwohl bei der Aufführung im Grazer Schauspielhaus das übergroße Vaterbild nur aus dem Versteck der Hinterbühne her droht, ist Vera Lippisch in der Titelrolle ganz Vatertochter statt Ehefrau. In ihrer verzweifelten Identitätssuche wirft sie sich auf zur Domina, wird dabei immer mehr zur dämonischen Zerstörerin von geradezu glühender Eisigkeit, bis sie ihr vermeintliches Ideal in den Tod manipuliert und sich selbst aus dem
Das Besondere an Peter Schaufuss' Choreographic des „NuBknackers”, die der danjsche Tanzer vor Jahren mit dem London Festival Ballet ge-schaffen hatte, besteht in der Ver-kniipfung von Tschaikowskijs Bio-graphie mit der literarischen Vorlage E.T.A. Hoffmanns. Die Weihnachts-bescherung fiir Fritz und Marie -sprich Bobik und Tanja - begab sich soniit im Ukrainischen bei Dawydow-Tschaikowskijs, derKomponist selbst figurierte als Pate DroBelmeier, seine Sch wester Sascha als Zuckerfee - und so wird Tschaikowskijs Genealogie peinlich genau in Ballettpersonal um-gesetzt.Indes - wie sich bei der
„König Richard II." im Grazer Schauspielhaus: mit augenzwinkernder Genüßlichkeit wird hier Theaterkonvention beschworen. Die Bühne (Max von Vequel-Westernach) - ein fast intimes Zimmertheater in blankem Historismus mit Kulissengängen und gemaltem Burg-Prospekt; frontale, meist hochprofessionelle Deklamation; Figurenarrangements von erlesener Komposition; sparsame, ritualisierte Gestik; deutlich ausgestellte Choreographie der wie in Zeitlupe ablaufenden Bewegung; viel Platz für Pathos und für lebende Bilder; Lichtspiele, die Figuren und Ensembles aus dem Halbdunkel holen - das ist
Einmütig bejubelte das Publikum der Grazer Oper den musikalischen Anteil der neuen Produktion von Verdis „Ballo in maschera": eine in der Tat kraftvoll-dynamische und sensible Leistung von Mario Venzago (Dirigent), Maureen Browne (Amelia), Hans Aschenbach (Gustavo) und ganz besonders von der wundervoll singenden, spielgewandten jungen Baskin Ainhoa Arteta (Oscar).Die massiv ausgebuhte Inszenierung durch Steven Pimlott (Buhne Tobias Hoheisel), die von der Vlaam-se Opera Antwerpen übernommen wurde, hat eine Ehrenrettung unbedingt nötig. In einem monumentalen Goldrahmen vollzieht sich
Ödön von Horväths frühe Komödie „Zur schönen Aussicht" ist an den Ort ihrer Uraufführung zurückgekehrt: nach 23 Jahren gibt es im Grazer Schauspielhaus wieder eine Inszenierung dieses Balletts menschlicher Niedertracht. Es könnte ein Europa-Stück von einiger aktueller Brisanz sein, denn die Symptome von Ökonomismus und Spätkapitalismus sind ja die gleichen geblieben seit den zwanziger Jahren, und das Bestiarium der Zwischenkriegszeit ist dem von heute nicht unähnlich.Die Inszenierung Marc Günthers deutet die Kritik am sozialen Zustand zwar an, stellt aber die privaten
Nicht alles paßte haargenau ins Grazer „styriarte"-Motto „Sommer Nacht Traum" -, doch wenn es sich dabei um Sternstunden handelt wie Gidon Kremers fast nicht mehr irdisch zu nennende Gestaltung des Beethoven'-schen Violinkonzertes oder um das Zusammentreffen zweier kongenialer Explosivtemperamente wie Martha Argerich und Nikolaus Harnon-court beim Klavierkonzert von Schumann, was tut's!Unter den fast zwanzig Veranstaltungen war einer der Höhepunkte das Konzert mit Liedern der Romantik, das Wolfgang Holzmair als neuen Stern unter den Liedsängern erwies. Sein Begleiter Melvin
Ein gewisses Maß an Fitness war der langen Prozession von Musikfreunden abverlangt, bis sie über den steilen Kriegersteig auf dem Schloßberggipfel in Graz anlangte. Dort wurden die mehr als Tausend belohnt mit Händeis opulent besetzter Feuerwerksmusik, die schließlich in das Krachen und Blitzen eines veritablen Feuerwerks überging. Die Stationen auf dem Weg zuvor durch die Höfe und Nischen der Grazer Altstadt waren besetzt mit barocker bis klassischer Kammer- und Chormusik: ein einzigartiges Promenadenkonzert, - gleichzeitig eine „Schnuppermeile" für nc ch Unentschlossene und
Leos Janaceks „Katja Kabanowa", diese Kleinstadtbürger-Tragödie nach Ostrowskij, gibt sich in der Grazer Oper als großes pathetisches Musikdrama in der Nähe antiken Tyrannen-Theaters. Regisseur Christian Pöp-pelreiter verbannt jeden Anflug von Naturalismus zugunsten eines expressionistischen, hochdramatischen Stilrituals, das durch großräumige Gruppierungen, viel Statisterie und starke Farbsymbolik beeindruckt. Jörg Koßdorffs Bühne ist halb Gefängnis, halb Burggraben, dessen schräge Wände zu heftiger Vertikalbewegung herausfordern. In diesem düsteren Hohlweg wird die
Auch eine noch so gründliche dramaturgische Aufbereitung samt Rückgriff auf Teile der provokativ-wilden Urfassung scheint Goethes „Götz von Berlichingen" für das heutige Theater nicht retten zu können.Zumindest ergibt sich dieser Eindruck anhand der Inszenierung des Stückes durch Christian Elbing im Grazer Schauspielhaus: Eine rechtschaffene Arbeit, die mehr auf ein buntes Bild des Weltzustands angelegt erscheint als auf das Drama des großen Einzelkämpfers. Trotz textlicher und szenischer Raffung, trotz aller Aktualisierungsversuche mit Hilfe von Kultmerkmalen unserer Gegenwart
Nicht sosehr um die betrogene Frau noch um den Leichtsinn des Mannes, nicht um Schuldzuweisung, sondern um das Kind geht es in Puccinis „Madama Butterfly", wenn man der neuen Interpretation des Werkes in der Grazer Oper folgt. Regisseur Peter Kon witschny erzählt die Geschichte der kleinen „Frau Schmetterling" auf neue und originelle Weise - mit deutlich moralischem Appell ans Publikum.Es beginnt mit Schwarz-Weiß-Fotos von Käuflichem samt Auspreisung in Dollar, nimmt seinen Fortgang in einer bunt-prächtigen Darstellung der archaischen Gegenwelt; ein Meisterstück die Bühne
Der junge Regisseur Martin Kusej -zugegebenermaßen reich an kreativen, aber offenbar schwer zu kanalisierenden Ideen - gibt seine spannende und farbenreiche Produktion im ' Grazer Schauspielhaus als Grillpar-zers „Traum ein Leben" aus - und das kommt schlicht einer Fälschung gleich. Hier wird nicht aus-, sondern umgedeutet; Aussage und Idee des Stücks erscheinen umgepolt zugunsten einer technisch aufwendigen, assoziationsreichen Bühnenshow von Kusej - sehr frei nach Grillparzer.Eine aktuelle und emanzipatorische Interpretation kann gewiß Zweifel an der biedermeierlich affirmativen
In Mittersill treffen die beiden Schicksalslinien aufeinander, die des Täters und die des Opfers: der US-Soldat Bell erschießt ein halbes Jahr nach Kriegsende grundlos den Komponisten Anton von Webern. Die absurde Obszönität dieses Todes ist Gegenstand des Stückes, das der DDR-Autor Georg Seidel kurz vor seinem frühen Tod 1990 fertiggestellt hatte. Vorgänge und Umstände rund um das tragische Ereignis erscheinen kompiliert zu dichterischen, expressiven Kürzeln, zu semidokumentarischen Abreviaturen ineinanderfließender Szenen. Keine Psychologie - nur tragischer Befund: Einsamkeit von
Die archetypischen Vorgänge um das berühmteste Liebespaar der Weltliteratur begeben sich in der Bühnengrube eines bedrohlich schiefwinkeligen Palastes, dessen überhohes, schmales Eingangstor als Lichtquelle dient. Martin Zehetgrubers Raum beeindruckt durch heroische Tragik. Das ist der Rahmen der nunmehr dritten Version der Basler Choreographie von Prokofjews „Romeo und Julia" durch den Düsseldorfer Ballettdirektor Heinz Spoerli. Sie wurde im Grazer Opernhaus zum Ballettereignis. Frisch und schlank, in entschlackter Gefühlsintensität und mit scheinbar leichtem Strich hat Spoerli
Hermann Brochs „Magd Zerline" kommt einem in den Sinn, und unweigerlich stellt sich die Assoziation zu Joseph Vilsmayers Filmen „Herbstmilch" oder „Ramadama" ein bei der Uraufführung von Franz Innerhofers szenischem Monolog „Scheibtruhe" auf der Grazer Studiobühne.Auf einem Ackerboden, mit Ansichtskartenhimmel dahinter, sitzt eine ältere Frau, vollführt ein paar Hantierungen, lächelt vor sich hin und erzählt dabei die Geschichte ihres Lebens. Eine sehr einfache Geschichte, „oral history" einer Bauernmagd, Zeitgeschichte aus der Perspektive der ganz
Hans Hollmanns „Fidelio"-Inszenie-rung in der Grazer Oper ist eine kühne Vision des Werkes in der Reduzierung des Szenischen auf die Grundgestalt des Themas und in der Ent-Indi-vidualisierung des Problems durch Schaffung von Typen statt Charakteren. Das ist kein billiger Modernismus, sondern die äußerste Konzentration auf das Wesen von Figur und Vorgang.Dem Handicap des unsäglichen Textes begegnet Hollmann dadurch, daß er eine Tonbandstimme mit stichwortartigen Bruchstücken der Rezi-tative einblendet. Hans Hoffers Bühne füllt ein riesiger Käfig, ein gewaltiges Zellensystem, das
Das Grazer Skelet-Theater im Or-pheum überrascht mit einem ungewöhnlichen Stationenstück der in den USA lebenden Kubanerin Maria Irene Fornes. Überraschend gut sind aber auch diedrei jungen Darsteller Ursula Mihelic, Thomas Braus und Werner Strenger in ihrer unverbildeten Spielfreude und ihrer präzisen Professionalität.Unter dem sehr kompetenten Regisseur Bernd Hagg wagten sie sich an die deutschsprachige Erstaufführung von „Mud" (Schlamm), einer durchaus originellen Unterschicht-und Außenseiterstory über ausweglose Fluchtbewegungen, die an Beckett und Kroetz erinnert, aber von
Für Blanche Dubois gibt es keine Rettung: Lebenslüge und Realität, Schein und Sein sind ineinander verwoben, Lusterfüllung geht ineins mit Vergewaltigung und ist nur die letzte Markierung vor der Endstation Paranoia.Tennessee Williams' Südstaaten-Aufguß von Ibsen, Strindberg, Freud wird in der Grazer Inszenierung der „Endstation Sehnsucht" durch Carl-Hermann Risse bestätigt als erstaunlich haltbare Analyse menschlichen Scheiterns an der Wirklichkeit. Von atmosphärischem Beiwerk weitgehend befreit, zeigt sich der Niedergang der Blanche tiefenpsychologisch wie mit dem Seziermesser
Die deutschen Theatermacher zu Graz erweisen sich als lemfähig. Zwar ist der „Lumpazivagabundus", den der Direktor Marc Günther im Schauspielhaus inszeniert, erst eine Annäherung an Nestroy, bei weitem noch kein vollmundiges Stück wienerischen Volkstheaters; aber mit den österreichischen Schauspielern läßt sich schon einiges an Authentizität erreichen.Noch geht der-Einstieg in den Stil über das Artifizielle, noch ist ein bis-serl zu viel Operette und zu wenig tragfähiger Untergrund da, noch hängen Slapstick und Quodlibet quasi in der Luft - und natürlich geht's wieder einmal
„Die Fledermaus" in derGrazerOper: Gegen den Strich gebürstet, in „kritischer" Sicht, aller Harmlosigkeit beraubt. Der Prinz Orlofsky ein Voyeur, der seine Gäste durch ein Riesen-Auge wie in einer Peep-Show beäugt. Lauter geile Bürgerhengste, die nach der Stute wiehern, zappelnde Neu-rotiker. Der zweite Akt: Ein üppiges Lebendes Bild nach Makart-Art mit Musik von Debussy (!) und einer allgemeinen Grapsch-Orgie; das fidele Gefängnis als „österreichische Hölle" mit einem intellektuellen, grantig nörgelnden Frosch, der Karl Kraus rezitiert (Peter Uray) - und das
„Linear wird hier nichts zu entdecken sein", heißt es in Wolfgang Bauers Stück aus dem Jahr 1988: „Das Lachein des Brian De Palma". In der Tat ist diesem Mammut-Potpourri aus infantil überdrehtem Nonsens, scheinbarem Tiefsinn und einander überlagernden Bewußtseinsebenen, dieser mit Steirer-Jux garnierten und von Bierdunst umnebelten Synchronisation von Traum und Wirklichkeit nur mit wohlwollendem Interpretengehabe beizukommen.Ein greises Archäologenehepaar -er ist „weltallchimischer Doppelbe-wegungssurfweltmeister" - geht auf die Reise (oder kommt gerade zurück?),
Sieht man einmal davon ab, daß ein Phänomen wie der Nazismus nicht auf Operettenniveau abzuhandeln ist, weil mit ein bißchen Hakenkreuz und stahlhelmtragenden Girls höchstens der Stechschritt parodiert wird, und der reale Schrecken, die neu-alte Bedrohung auf der Show-Ebene nur verharmlost und verniedlicht werden. Sieht man also von dieser dramaturgischen UnStatthaftigkeit ab, ist Kan-ders und Ebbs' „Cabaret" ein zugkräftiges Musical. Und das selbst noch im übergroßen Schatten seiner Filmversion. Vom zeithistorischen Biß her zwar eher zahm, bietet es immer noch beträchtlichen
Schauspieldirektor Marc Günther erklärt den Grazem Schillers „Kabale und Liebe" so unkonventionell wie möglich, um den Bürger zu schrek-ken: Ferdinand hockt auf einem Baum und ruft „Krah, kräh"; in seinem Liebesdrang möchte er es sogar mit der Milford treiben.Die wiederum wird zur Lady Macbeth und rast einen Monolog lang auf Englisch; auch das Italienische des Macchiavelli muß herhalten, um den deutschen Text zu färbein; nicht einmal die Limonade darf matt sein - sie wird zum Grablicht im Glas. Fecht-und Erotikszenen, Pantomimen und viel Musik sollen Langeweile
Giuseppe Verdis frühes Werk „I due Foscari", aus dem sich szenisch so gut wie nichts herausholen läßt, gibt man am besten konzertant. Das ist hilfreich fürs Budget der Grazer Oper und erspart dem Publikum außerdem den Regiekrampf einer zweifelhaften Bühnenrealisierung des unsäglich schwachen Librettos von Piave. Demnach ist die Grazer Sparversion der dramaturgisch unmotivierten und eintönigen Szenenfolge nach Lord Byron eine pragmatische und vernünftige Lösung. Sie gestattet dem Zuhörer den ungetrübten Genuß einer mit Schönheiten und spannenden Erfindungen reich
Vergebens hatte Schubert 1827 seine Oper „Alfonso und Estrella" in Graz auf die Bühne zu bringen versucht. Jetzt, anderthalb Jahrhunderte danach, eröffnete die Grazer Oper mit der szenischen Uraufführung der Originalversion des Werkes. Kein spektakulärer Opernabend ist es geworden, ehereine Art Raritätenschau, aber die Begeisterung und das Engagement des neuen Opernchefs Mario Venzago haben etwas Mitreißendes. Die krause Geschichte aus dem frühmittelalterlichen Spanien mit ihren Prospero-und Romeo-Anklängen konnte die Dramaturgie zwar nicht entwirren, aber doch zu einem
Die Gefahr war nicht von der Hand zu weisen, daß die Styriarte sich auf der bescheidenen Ebene eines lokalen Schickeria-Festes einpendeln könnte, bei dem alte Musik in „gepflegter Atmosphäre" genossen wird. Aber nach einem etwas chaotischen Flegeljahr dürfte Styriarte nun in dem jungen Musikologen Mathis Huber den geeigneten Intendanten gefunden haben, der Seriosität, Kompetenz und Originalität für Programmierung und Organisation in reichem Maße besitzt. Nikolaus Hamoncourt bleibt Integrationsfigur und Maßstab für junge Ensembles, die neue und spannende Zugänge zur
Wenn das hauptsächlich Felix Men-delssohn-Bartholdy gewidmete heurige Grazer Styriarte-Fest mit Beethovens Neunter begann, so war das kein Zeichen chaotischer Programmgestaltung, sondern eine Nachholaktion. Nikolaus Harnoncourts Beethoven-Interpretation vom Vorjahr war noch die letzte Symphonie hinzuzufügen. Sie war nicht unbedingt der Gipfel von Harnoncourts Kunst der „Offenlegung": nach einem fast lustlos geleierten Scherzo und einem spannungsärmen Adagio konnte erst der Finalsatz - vor allem durch die perfekte Ausdruckskraft des Arnold Schönberg-Chors - monumentale Größe
Als Ansatz zu einer Motiven-Drama-turgie bieten die Grazer Bühnen heuer vier Variationen des „Don Juan”-Stoffes (Moliere, Mozart, Gluck und Gazzaniga). Das ist auf den ersten Blick zwar lobenswert, aber nicht frei von musikologischer Sterilität, wie die jüngste Premiere in der Grazer Oper beweist. Giuseppe Gazzanigas Kurzoper „Don Giovanni” wurde rund zehn Monate vor Mozarts Werk zur Eröffnung der Karnevalssaison 1787 in Venedig uraufgeführt. Das Libretto dazu stimmt mit dem Mozarts weitgehend überein. Die Musik allerdings reicht über harmlose vor-Rossi-nische
Die Grazer brauchen nicht mehr ins benachbarte Marburg zu fahren, um Verdis „La Traviata” zu sehen. DieDürreperiode scheint in der Grazer Oper zumindest unterbrochen durch eine „Traviata”-Produktion von makelloser Qualität. Sie ist zu danken den Führungseigenschaften und der immensen stilistischen Sensibilität des Dirigenten Mario Venzago, der trotz hektischer Besetzungswirren zeigen konnte, welch hochtalentierter Orchester- und Sängererzieher er ist. So entstand ein Abend von weltstädtischem Format, an dem Verdis Musik in zartesten Schattierungen erklingt -völlig entschlackt
Nicht nur theaterhistorische Neugier, sondern auch breites Publikumsinteresse hätte die österreichische Erstaufführung von Walter Semers „Posada oder der große Coup im Hotel Ritz" im Grazer Schauspielhaus verdient. Dem 1889 in Karlsbad geborenen (und im KZ umgekommenen) Mitbegründer des DADA ist mit dieser Gaunerkomödie vor 65 Jahren ein ganz eigenartiges, hochartifizielles Szenenprodukt rund um einen Kriminalfall geglückt, dessen Wiederbelebung durchaus gerechtfertigt erscheint.Die Erwartungshaltung des Publikums wird ständig geschürt, aber nicht befriedigt; das fällt jedoch
Österreich-Premiere eines spanischen „Skandal"-Stückes: das Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz spielt„Die Einsamkeit des Gorillas" von Javier Maqua. Der Verfasser hatte vor Jahren als Journalist einen sozialistischen Abgeordneten auf dessen Wahlkampfreisen begleitet, den Suc-cus seiner psychologischen Erfahrungen hieraus faßte er zu einem unterhaltsamen Zweipersonenstück in Form fragmentarischer Dialoge zwischen dem Politiker und seinem Leibwächter zusammen.Wer aufgrund allzu vieler Vorschußlorbeeren einen politisch oder tiefenpsychologisch halbwegs brisanten Text
(Schauspielhaus Graz; „Tage des Königs” von Peter Rosei) Die Bühnenuraufführung der vor neun Jahren als Hörspiel entstandenen Szenenfolge zeigt in Anlehnung an Georg Büchners „Leonce” die pessimistische Grundaussage des Autors: das Chaos der Sinn-Leere kann durch ephemere Illusionen des Individuums bestenfalls kaschiert, aber nicht behoben werden. So ist auch der König, dessen Tag hier abrollt, nur ein Konsument attrap-penhaf ter Stützsysteme eines Leerlaufs ohne Sinn.Thema und Form kommen als Nachzügler auf die Bühne und reichen keinesfalls für einen Theaterabend - was die
(Opernhaus Graz; „Die verkaufte Braut” von Bedfich Smetana) Der ostdeutsche Regisseur Peter Konwitschny hatte fleißig im Originallibretto gegründelt und war dann in Smetanas Partitur fündig geworden. Er entdeckte von Aufführungsschlamperei verwaschene Strukturen, harte Konflikte und Widersprüche statt herzig-bunter Otto Schenk-Folklore, und die Möglichkeit, einem Außenseiterproblem psychoanalytisch zu Leibe zu rücken. Wenzel, der Stotterer, wird also positiv gesehen als phantasievoller Adoleszent, der sich einen zauberhaften, schneeweißen Zirkus ä la Federico Fellini
(Schauspielhaus Graz; „Ein Morgen gibt es nicht" von Julien Green) Messina 1908, kurz vor dem großen Beben: eine verarmte großbürgerliche Gesellschaft in tatenlosen Gesprächen, „aufrechte Tote", eingeschlossen im Käfig ihres kleinkarierten Alltags und ihrer moralischen Defizienz - eine fast Tschechow'sche Bühnensituation. Bigotterie, Geiz, sexuelle Gier, Egoismus verdecken die innere Leere, bis derGreen'sche „Racheengel" erscheint - als ein Riß in der Mauer - und keiner mehr dem Höllensturz entrinnen kann.Obwohl manches an diesem 1950 begonnenen, aber erst dreißig
(Schauspielhaus Graz; „Untertier" von Thomas Strittmatter) Schon wieder nackte Männer im Zentrum einer Grazer Premiere: diesmal sind es drei Jungpolizisten, die einen beträchtlichen Teil der Aufführung unter der Dusche verbringen, verbale Obszönitäten austauschen und sich vom „Bullen"-Geruch befreien, - „nackt und eingeseift".Eingeseift fühlt sich auch der Besucher dieser Uraufführung (Regie Carl-Hermann Risse), der sich nach den bisherigen Erfolgen des jungen schwäbischen Autors zumindest ein bedenkenswertes Zeit-Volksstück erwartet hatte.Inhaltlich liegt ein
(Schauspielhaus Graz; „Ödipus, Tyrann" von Sophokles/Heiner Müller) Mit seiner Interpretation des ungeheuren Stoffes wolle er „ästhetisch aufstören", „eine Vehemenz transportieren", verkündete Regisseur Thomas Thieme. In der Praxis wird daraus ein szenisches Oratorium von zusammenhangloser, wild gestikulierter Motorik: ein Bewegungschor von sechzehn Jungturnern mit blankem Hinterteil und Knieschützern schreit „archaisch", rennt, kriecht, wälzt sich und skandiert ein unverständliches Lautgemisch.In beißender Aggressivität hak-ken dieses Kollektiv und die vier
(Opernhaus Graz; "La belle Vie" von Heinz Spoerli/Jacques Offen-bach) Originalität ist derzeit nicht Trumpf: die Intendanz Brunner setzt auf Übernahmen von und Anleihen bei ausländischen Pro-duktionen. Immerhin hat der Cho-reograph Heinz Spoerli die Basler Inszenierung seines Handlungsbal-letts für Graz wenigstens überar-beitet, und Frieder Klein hat die Dekorationen für diese österreichi-sche Erstaufführung neu gestaltet.Das Sujet ist ein bißchen simpel -das "drame bourgeois" vom Nie-dergang einer Pariser Familie in der "belle 6poque", die nur nach außen hin schön war. Das gibt den
(Schauspielhaus Graz; "Der Die-ner zweier Herren" von Carlo Gol-doni) Praktisch handelt es sich hier um die Übernahme einer Frankfur-ter Produktion des Jahres 1987: Schauspieldirektor Marc Günther inszenierte nach dem Konzept von Marco Bernardi in der Frankfurter Dekoration Gisbert Jäkels und mit den Kostümen von Nicole Geraud. Von Max Reinhardts Rokoko und seinem nudelschlingenden Truf f al-dino ist da keine Rede mehr, ein "aggiornamento" samt sozialkriti-schem Seitenblick wird nicht ange-strebt. Bleibt also noch die Anleh-nung an Strehlers Jahrhundert-Modell. Eine Kopie verbietet sich
(Schauspielhaus, Graz; „Ich und Ich" von Else Lasker-Schüler) Als Herausforderung an ein vermeintlich provinzielles Publikum mag der aus der Frankfurter Theater-Szene kommende neue Direktor Marc Günther seine Inszenierung des letzten Stücks der Dichterin gedacht haben, als Testfall sozusagen. Doch auch weit stärker „expe-riment-geeichteh'* Zuschauern würde diese österreichische Erstaufführung als unbefriedigender Versuch erscheinen. Was sich da in versponnener „Rummelplatz-Chaotik" als potpourrihaftes Welttheater-Fragment drei Stunden lang in Reimen zum Thema „Zwei
(Opernhaus Graz; „Chicago" von John Kander) Wir amüsieren uns zu Tode, so haben wir's von den Ame- rikanern gelernt. Das Chicago des gleichnamigen Musicals ist heute überall. Mord. Korruption, Gewalt, Verrat - alles ist Unterhaltung, al- les muß vermarktet werden. Das Musical als „moralische Anstalt" zu sehen, wäre naiv, - selbst Brecht hat die Grenzen theatralischer Belehrung erkannt.Aber das Amüsement mit dem Amüsement über das Amüsement ist garantiert - weniger von der bescheidenen Qualität der Musik als vom Drive einer hochprofessio- nellen Wiedergabe durch ein kom- petentes
(Schauspielhaus Graz; „Dom Juan" von J. B. Moliere) Ängste vor einer weiteren „Germanisierung" des Grazer Theaters regen sich angesichts der Sprachlandschaft dieses Saisonbeginns: da muß sich der Zuseher hindurchhören durch das niederalemannische Elsässer- Dütsch der Bauernszenen, das schnoddrige Berlinerisch des Pro- tagonisten und das synthetisch- sächselnde Idiom einer unerträg- lich exaltierten Elvira (Andreina de Martin).Vergebens die Hoffnung auf eine fesselnde Interpretation durch die Regie (Marco Bernardi), die sich leider damit begnügt, die meist flächigen Rededuelle
Sieben auf einen Streich: das erste österreichische Theatertreffen in Graz erwies sich als Königsidee. Im Verlauf einer Woche boten alle sie- ben Länderbühnen ein buntge- mischtes Konzentrat des Theater-lebens der gar nicht immer provin- ziellen „Provinz".Freilich gibt die Auswahl der Stückenochkeineexakte Übersicht, denn personelle und finanzielle Hürden ließen nicht nur die jewei- ligen „high-lights" den Treffpunkt Graz ansteuern. Sieht man von den jugendlich-bewegten Linzer Beiträ- gen („ Linie 1" etwa) und der Panne mit Dürrenmatt aus Innsbruck ab, so zeigte sich dem mild
(Schauspielhaus Graz; „Die letz- ten Tage der Menschheit" von Karl Kraus) Auch die perfekteste Thea- termaschinerie und die intelligen- teste Textauswahl können mit der zähneknirschenden Suggestivkraft des Kraus'schen Wortes nicht kon- kurrieren. So wirkt denn auch das Exzerpt der Monstermontage, das Michael Wallner zur Grundlage seiner Inszenierung verwendet, zunächst wie eine flotte Abfolge von Kabarettszenen, die dann aber immer stärker eingedunkelt wer- den bis zum bitteren Mahnwort des fanatischen Moralisten.Wallner setzt mit Erfolg dem Kalauer und der Pointe den heili- gen
(Opernhaus Graz; „Beatrice und Benedict" von Hector Berlioz) Die Berge künstlerischer Produktion kreißten, aber das Opernmäuslein, das da als österreichische Erstauf- führung geboren wurde, beweist nur, daß es zurecht von der Büh- nenpraxis vergessen ist. Trotz eini- ger Delikatessen, wie dem bezau- bernden Frauenduett des ersten Aktes, fehlen dieser bescheidenen Shakespeare-Veroperung der zün- dende Funke und der musikalische Witz. Zudem ist diese opera comi- que zur Hälfte Sprechtheater, was nicht nur für die Opernsänger ver- schiedener Zunge zum Problem wird, sondern auch fürs
(Schauspielhaus Graz; „König Heinrich der Fünfte" von Shakespeare) Höchstens zwei oder drei Szenen dieses Festspiels zur höheren Ehre Britanniens mit seiner Aneinanderreihung von Stationen im Auf und Ab des Hundertjährigen Krieges könnten eine Aufführung des Werkes rechtfertigen. Es bedarf schon einer verzweifelten Interpretations-Akrobatik, um aus der affirmativen Tendenz des Stük-kes und dem positiv gesehenen Charakter des Helden eine kritische Haltung gegenüber dem Krieg und dem Pathos des Mordens herauszulesen.Imre Ker£nyi aus Budapest versucht es trotzdem und -
(Opernhaus Graz; „Idomeneo" von W. A. Mozart) Die dritte Regiearbeit des Bühnenbildners Herbert Kapplmüller scheint nur den Zweck zu haben, dem Publikum die Freude an der hochwertigen musikalischen Wiedergabe (Peter Stra-ka und Pauletta DeVaughn) zu „vermiesen". Die subtile, allen Kostbarkeiten der Partitur nachgehende Interpretation durch Nikäa Ba-reza bestückt der Regisseur-Novize mit krampfhaft abstrusen, pseu-do-tiefsinnigen, um jeden Preis anders sein wollenden „Erfindungen" zur - zugegeben - bescheidenen Handlung.Kapplmüllers Hang zu Plastikfolien, Schnüren und Mehlstaub
(Schauspielhaus Graz; „Nathan der Weise“ von Lessing) Das weite Feld der Ausdeutungen, das dieses Denk-Spiel mit seinen Ideenträgern eröffnet, verleitet den Regisseur Peter Lotschak zu einem wahren Sammelsurium von Interpretationsmöglichkeiten, die - kaum verbunden - nebeneinander herlaufen.Auf einer häßlichen Baustellenbühne wird die Teenager-Geschichte dominiert von einem ruppigen, spätpubertierenden Tempelritter (der „deutsche Bär“), der am Piani-no immer wieder eine Bach-Inven-tion klimpert (!), im Sultanspalast waltet ein mild-weiser Bassa Se-lim, ein antiklerikaler
(Forum Stadtpark Theater Graz/ „steirischer herbst“; „Han und Amin“ von Jürg Laederach) Die „Drei Dialoge“ sind inhaltlich und in den Figuren bestimmt durch eine Erinnerung des Autors an einenAbend mit Peter Handke und dessen Tochter Anima, formal gelten die Prinzipien der minimal music. Das bedeutet: Satzfragmente kreisen um sich selbst, eine Art verbalen Schachspiels setzt Scheinsätze, Banalstrukturen, Reizwörter, Fragepartikel gegeneinander, Halbabsurdes und gänzlich Absurdes werden durch Wiederholung, Verknappung, Umkehrung, Engführung wie „dux“ und „comes“ einer
(Opernhaus Graz; „Ritter Blaubart“ von Jacques Offenbach) Das Aktualitätsmäntelchen, das Bearbeiter und Regisseure den Werken immer gerne umhängen, sitzt hier nur knapp. Zwar stellt sich nach Entdeckung sämtlicher Leichen im Keller des Staates die Frage, wie es weitergehen soll: Revolution oder Operette, Marseillaise oder Offenbach-Galopp. Doch die Entscheidung für ein „grand finale“ fällt nicht schwer, denn Lehrstück-Penetranz merkt man ja und ist verstimmt.So bleibt Offenbachs unblutige Blaubart-Version trotz FelsensteinsTextverschärfung durchgehend im Stil der clownesken
(Schauspielhaus Graz; „Moral“ von Ludwig Thoma) schon dem Ausgedinge nahe - weil für veraltet gehalten - hat diese Satire auf bürgerliche Verlogenheit unerwartet wieder peinliche Lebensnähe bekommen. Zwar ist der Handlungsfaden dünn, aber wie der bayerische Autor die „Hungerkünstler, die heimlich essen“, diese Tugendwächter, die anderes bekennen als sie tun, diese Vertuscher, Heuchler und Systemerhalter auf seine spitze Feder spießt, beweist sein prophetisches Gespür. Da braucht es gar keinen Udo und keinen Poldi: Im eigenen Städtchen gibt es genug Anschauungsmaterial
(Schauspielhaus Graz; „Peer Gynt“ von Henrik Ibsen) Den Weg des viele. Rollen durchspielenden Ich-Süchtigen, der am Schluß sei-nes Lebens die Kernlosigkeit seiner Zwiebel-Existenz erkennt und Erlösung im Mutterschoß der großen Liebenden findet, diese Fabel ohne Interpretiersucht nachzuzeichnen, gelang dem Regisseur Rainer Hauer nur teilweise.Gewaltige Striche reduzierten die Riesenballade sozusagen auf die „Highlights“, was wiederum zu einer wahren Serie von Monologen des Helden führen mußte. Von einigen hübschen Einfällen abgesehen, ergab das eine stark pathetisch getönte,
(Opernhaus Graz; „Götterdämmerung“ von Richard Wagner) Christian Pöppelreiter verschlimmert das Interpretationsdilemma des Schlusses noch: nachdem Hagen mit einer Pyrophobie-Pantomime Brünnhildens Schlußmonolog fast die Show gestohlen und der Guckkastenrahmen des „tönenden Schaugedichts“ sich um das postmoderne Lagerhausgerümpel der Gibichungenhallegelegt hat, begegnet der übriggebliebene Alberich dem ebenfalls noch vorhandenen Waldvogelmädchen, das auf einem Schrägbalken dem Chaos entklettert. Seinem Verwirrspiel entzieht sich der Regisseur mit dem Transparent eines
(Opernhaus Graz; „Spartakus“, Choreographie: Waclaw Orlikows- ky, Musik: Aram Chatschaturjan) Die Abschiedsinzenierung von Waclaw Orlikowsky, des Grazer Baüettchefs von internationalem Rang, den der zukünftige Grazer Intendant Gerhard Brunner nicht mehr braucht (l),wurdezumgroßartigsten Ballettfest von dessen Grazer Ära. Orlikowsky hat die westeuropäische Erstproduktion des immens anspruchsvollen „ Spartakus" gewagt und trotz der kleinen Grazer Truppe auf spektakuläre Weise gewonnen.Die Massenszenen erscheinen gestrafft und durch Orlikowskys bekanntes Gespür für opulente Optik
(Schauspielhaus Graz; „Der gute Mensch von Sezuan" von Bert Brecht) „… wir sehn betroffen / den Vorhang zu und alle Fragen offen", besonders jene, wie man denn diese Parabel heute spielen soll. Denn der Brecht -bestaunt, bewundert und geliebt - ist eben nicht mehr der, der er war. Natürlich berührt da noch ein bißchen der heillose Grundkonflikt zwischen Ideal und Wirklichkeit, zwischen Theorie und Praxis, zwischen Sonntag und Alltag. Aber der Appell hat nichts genützt, Veränderung der Verhältnisse ist nicht gefragt - schon gar nicht, wenn Brechts bewußte Naivität und seine
(Schauspielhaus Graz; „Georgę Dandin“_von Moliėre) Das Opfer liegt bereits auf dem Boden. Gezeigt wird, wie es in einem langsamen Crescendo der Erniedrigung endlich zertreten wird. Peter Lotschaks Inszenierung ist die Zelebration einer „histoire de co-cu“, welcher der Nerv des Komischen gezogen wurde. In drei, vier prägnanten Stationen zwischen den Monologen hebt sich, wie gestochen, vom grell-weißen Hintergrund das Pandämonium der Bosheit ab, das den unschuldig Gehörnten vernichtet. Keine Spur von billigem Slapstick; nur in der nächtlichen Verwechslungsszene kommt —