7100159-1995_08_20.jpg
Digital In Arbeit

Bürger als Feindbild

Werbung
Werbung
Werbung

Regisseure aus der Ex-DDR pflegen überall „gesellschaftspolitische Relevanz” aufzuspüren. Bei Richard Wagners „Tannhäuser” macht das keine besonderen Schwierigkeiten, falls man sich über Widersprüche und die Diskrepanz zwischen Text und Deutung einfach hinwegsetzt. Martin Schüler tut das in der Grazer Oper ziemlich ungeniert. Auf seiner Abschußliste stehen Chereaus Gründerzeitbürger, bei deren bigotter Scheinmoral und Prinzipienstarre ein Außenseiter keine Chance hat.

Auf der Bühne erscheint der Hörselberg als Nobelbordell mit dem üppigen Bacchanal der Pariser Fassung, der Pilgerchor kommt als' Proletarierprozession daher, der Sängerkrieg beginnt als Festkommers, bei dem das Premierenpublikum sich auf der Bühne erkennen soll, und mutiert sodann zum Tribunal über Tannhäuser, in das die von Anfang an moribunde Elisabeth vom Rollstuhl aus fürbittend eingreift.

©er letzte Akt endet in Nebelschwaden mit einer Papst-Apotheose. So anfechtbar vieles in Schülers Deutung auch sein mag, so sind ihr Ideenreichtum, Bühnenwirksamkeit und eine spannende Optik nicht abzusprechen. Dazu kommen Peter Schrottners hochintensive Interpretation der Musik und der Einsprin-ger Heikki Siukola, ein Heldentenor von echtem Schrot und Korn.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung