Die Schönheit des Musealen

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Das legendäre Kirow-Ballett aus St. Petersburg mit historischen Choreographien in Graz.

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Das legendäre Kirow-Ballett aus St. Petersburg mit historischen Choreographien in Graz.

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Graz ist auf dem besten Weg, zur Sommerresidenz russischer Opern- und Ballettkultur zu werden. Drei Wochen hindurch gastiert heuer eines der weltbesten Tanzensembles im Opernhaus. Das Ballett des St. Petersburger Mariinski-Theaters, besser bekannt als "das Kirow", wie es in der Sowjet-Zeit hieß, - Mutterhaus gewissermaßen aller klassischen Ballettcompagnien - zeigt vier seiner historischen Creationen, davon drei des großen Marius Petipa und einen eigenen Abend mit Choreographien von Michail Fokine.

Somit kommt das Publikum in den seltenen Genuß, Werke der klassisch-romantischen Ära in sorgfältig dosierter Kosmetik und brillanter Ausführung wiedererstehen zu sehen. Das Mariinski-Ensemble erweist sich als Hüter hoher Ballett-Tradition. Natürlich ist diese Art tiefgefrorener Tanzklassik eine im Grunde museale Angelegenheit. Aber mag auch manches Detail altmodisch, ja fast versteinert wirken, so faszinieren die tänzerische Perfektion und die wundervoll ästhetische Eleganz auch heute noch.

Das Programm führt von der reinen Ballettklassik Petipas im "Dornröschen" (mit der rührenden Anmut der jungen Diana Wischnjowa) an die Schwelle des Ausdruckstanzes bei Fokines mörderischem Bacchanal in "Scheherazade" (mit dem großartigen Paar Julia Machalina und Faruch Rusimatow) und den gewaltigen Sprungsequenzen der Männertruppe in den "Polowetzer Tänzen", dann wieder zurück zu Marius Petipas "La Bayadere" (österreichische Erstaufführung!) mit der schmissigen, ein bißchen heurigenseligen Gebrauchsmusik des Wieners Ludwig Minkus.

Der Jubel kennt keine Grenzen bei einem kostbaren Juwel der Tanzkunst, das vor mehr als einem Jahrhundert in einer Sternstunde am Mariinski-Theater entstand: jenem dritten Akt der "Bayadere", dem berühmten "Reich der Schatten", dessen träumerische Ästhetik und virtuose Klarheit zeitlos gültig bleiben.

Gemessen an solchem Höhepunkt mußte die beziehungslose Ästhetik in "Les Sylphides", des ersten abstrakten Balletts, verblassen, zumal die musikalische Basis zu wünschen übrig ließ. Das Orchester unter Alexander Titow enttäuschte an den ersten beiden Abenden durch derbe Lustlosigkeit. Unter Boris Grusin, der "La Bayadere" leitete, waren die Musiker wie ausgewechselt und zeigten, daß sie auch anders können.

Der Ruhm des "Mariinski" besteht nicht nur aus den Spitzenleistungen seiner Solisten, von denen - außer der graziösen Wischnjowa - noch die hinreißende Uljana Lopatkina (Bajadere) und der männliche Star Jewgeni Iwantschenko (Solor) zu nennen sind, sondern ebenso in dem unvergleichlichen Corps de ballet, das mit seiner delikaten, wie geklonten Uniformität in Größe, Aussehen und Brillanz der Ballerinen nicht seinesgleichen hat.

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