Vernichtete Klischees

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"Mayerling" von Franzobel am Wiener Volkstheater.

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"Mayerling" von Franzobel am Wiener Volkstheater.

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Einige Buhrufe im begeisterten Applaus nach der Uraufführung von Franzobels "Mayerling" im Wiener Volkstheater signalisierten Unmut ob des respektlosen Umgangs mit der Kronprinzen-Tragödie aus dem Jahr 1889. Eine jener kitschtrunkenen Versionen, in denen einst Rudolf Prack und Christiane Hörbiger glänzten, hat zwar niemand erwartet, doch muss man die Habsburg'schen Heiligenbilder gleich bis zur Menschlichkeit entstellen?

Forschend und fragend klopft Franzobel Klischees und Legende ab, verästelt beides mit einer Fülle von Assoziationen, Ideen, Gedanken und kommt der Wirklichkeit hinter dem Mythos näher als so manches Geschichtswerk. In der deutschen Regisseurin Thirza Bruncken hat er eine kongeniale Partnerin gefunden. Mit morbidem Humor und Ironie öffnet sie den Sargdeckel - Ausstatter Jens Kilian liebt Holz und die Würfelform - über der Kaisergruft, die von "Archetypen des Österreichischen" (Franzobel) belebt wird.

Kein kompaktes Stück bietet sich dem Zuschauer sondern ein Szenenreigen zwischen Volksstück, Revue und Moritat. Er ist gefüllt mit Floskeln, Sprachstimmungsbildern, deftigem Witz, aus denen Brunckens Inszenierung im Spiel mit den Klischees Charaktere schält, die in ihrer traurigen Deformiertheit auf das begierige, manchmal hilf- und sinnlose Menschendasein verweisen. Vor allem Meriam Abbas als Mary Vetsera ist ein hinreißendes Prinzen-Groupie, eine gezierte kichernde Puppe und Kindfrau, ihr Gegenpart die lebenspraktische Edelnutte Mizzi von Anna Franziska Srna. Ein Gegensatzpaar sind auch die gehetzte, von allem Leiblichen angewiderte Sisi (Barbara Nüsse) und die matronenhafte Schratt von Vera Borek. Vage bleibt im Ensemble - unter anderem noch mit Toni Böhm, Fritz Hammel und Heinz Petters, die Figur des Rudolf. Mit seinem hochdeutschen Akzent fällt Jörg Pose aus dem ansonsten sehr wienerischem Stimmungsbild.

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