Volksmärchen mit Action

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In Märchen geschehen die wunderlichsten Dinge. Und wer darin zu einer Reise aufbricht, um sich heldenhaft dem Bösen entgegenzustellen, der sollte gerüstet sein. Das weiß auch Hans, jüngster Königssohn von sieben, dem wir auf der Titelseite der fulminanten Bilderzählung des Norwegers Øyvind Torseter zusehen dürfen, wie er seine Sachen packt. Eine kleine Comicfigur, mit feinem schwarzen Strich aufs Papier gezogen, mit eigenwilligem Tierkopf und übergroßer Nase, hockt da neben seinem Rucksack, in dem verwunderlich viel Platz hat: Wanderkarte, Werkzeugkasten, Regenschirm, Toaster, Socken, Kletterseil, Angelrute, Axt, Isolierkanne und und und. Aber was zunächst wie der Aufbruch zu einem längeren Campingausflug mit Lagerfeuer und Naturidyll anmutet, wird zu einer Begegnung mit einem scheinbar übermächtigen Finsterling. Denn Hans zieht los -mit einem alten Gaul und der Zuversicht eines Greenhorns -um seine sechs versteinerten Brüder samt Liebste zu erlösen, um eine Prinzessin zu befreien, die ein Troll gefangen hält, und um das sabbernde Ungeheuer eigenhändig zu vernichten, indem er dessen Herz zerquetscht.

Befreiend lachen

Der Künstler Øyvind Torseter hat sich ein schönes, wildes und actionreiches Volksmärchen ausgesucht, um es auf rund 120 Bildseiten neu zu arrangieren und mit parodistischen Elementen anzureichern, ohne den ernsten Kern des Ganzen zu verraten oder zu verlieren. Spätestens wenn Hans in die düstere Höhle des Trolls vordringt, wird man ums Gruseln nicht herumkommen, allerdings darf hier auch gehörig und befreiend gelacht werden. Dafür sorgen absurd-komische Nebenfiguren wie ein saxofonspielender Krake, sprechende Skelette, die das Geschehen kommentieren und dem Helden ein "Hau ab!" oder "Das schaffst du niemals!" entgegenhöhnen, oder Hans selbst, der eine stärkende Kaffeepause einlegt, wenn's richtig brenzlig wird, oder sich aufs übergroße Plumpsklo des Trolls verdrückt.

Der beeindruckende Ton der Erzählung, sein eigenwilliger Sound, wird nicht vorrangig durch den großteils in Sprechblasen gebotenen Text kreiert, vielmehr durch Torseters souveräne Bildsprache, seine Vermischung von klassischem Bilderbuch und Comic und sein raffiniertes Spiel mit Farben, Perspektiven, Bildaufteilung, Typografie und Figurenzeichnung. Wie er ein Pferd in lässiger Pose am Lagerfeuer hocken lässt, wie er es schafft, der Prinzessin ein Outfit zu verpassen, das zwischen royalem Umhang und Superheldinnen-Cape changiert, und wie er die zarte Annäherung mit Hans in eine Doppelseite voll wärmendem Orange taucht, das sind die Momente, in denen dieser Bildband vollauf beglückt.

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