Vom Löwen zum Stubentiger: Sibylle Lewitscharoffs Roman "Killmousky“

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Sibylle Lewitscharoff wendet sich mit "Killmousky“ einem für sie neuen Genre zu. Der entstandene Kriminalroman ist kurzweilige Unterhaltung für Freunde des Krimis.

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Sibylle Lewitscharoff wendet sich mit "Killmousky“ einem für sie neuen Genre zu. Der entstandene Kriminalroman ist kurzweilige Unterhaltung für Freunde des Krimis.

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Ihre Dresdener Rede hat die gefeierte Büchner-Preisträgerin des Jahres 2013 beinah über Nacht zur persona non grata gemacht. Ein Sturm des Protests folgte auf Sibylle Lewitscharoffs Relativierung nationalsozialistischer "Kopulationsheime“, die ihr im Vergleich mit der modernen Reproduktionsmedizin ("das gegenwärtige Fortpflanzungsgemurkse“) "wie harmlose Übungsspiele“ vorkämen. Den "auf solch abartigen Wegen entstandenen“ Kindern sprach sie gar die Menschlichkeit ab, sie seien "zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas“. Damit hat sich die im Habit der Intellektualität auftretende Schriftstellerin selbst ins Aus katapultiert - und das zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, nämlich kurz vor Erscheinen ihres neuen Romans. Dieser wird nach Lewitscharoffs menschenverachtender Rede mit Argusaugen betrachtet werden. Nun darf zwar das Werk niemals für seinen Autor haftbar gemacht werden, doch man ist sensibilisiert. Ein Glück, dass "Killmousky“ nicht in der bedeutungsschweren Tradition eines "Apostoloff“ oder "Consummatus“ steht, sondern neue Wege beschreitet, die wesentlich leichter zugänglich sind.

Alles eine Nummer kleiner

Auf den ersten Blick ist in Lewitscharoffs neuem Roman alles eine Nummer kleiner als gewohnt: Während in "Blumenberg“ plötzlich ein waschechter Löwe im Arbeitszimmer des großen Philosophen liegt, spaziert in "Killmousky“ ebendieser, ein schwarzer Kater, bei Kommissar Ellwangers Terrassentür herein. Nach der Beschäftigung mit einer deutschen Geistesgröße wendet sich die Autorin mit "Killmousky“ einem für sie neuen Genre zu. Lewitscharoff hat einen Kriminalroman geschrieben. Das Erstaunliche daran: Das hat sie tatsächlich. Keine Parodie, kein hybrides Textgewebe mit kriminalistischen Elementen, nein, einen Krimi. Von der Sprache über die Erzählstruktur bis zum Figurenpersonal handelt es sich zweifelsfrei um einen typischen Kriminalroman. Leider um keinen sehr einfallsreichen.

Der nach einem unglücklichen Vorfall frühzeitig in den Ruhestand getretene Münchner Kommissar Ellwanger, geschieden, wie könnte es anders sein, hat nur einen Lebensinhalt, nämlich die titelgebende Katze, oder besser den Kater, darauf legt er Wert. Nachdem er einen Verdächtigen bedroht hat, untragbar geworden, nimmt er freiwillig seinen Hut, doch allein die morgendlichen Spiele im Garten mit dem Kater füllen die Tage erwartungsgemäß nicht aus. Ein privater Auftrag kommt da wie gerufen: Ellwanger soll in New York den angeblichen Selbstmord einer Millionärstochter aufklären. Nach einer Überdosis Schlaftabletten auch noch aus dem Fenster zu springen, da scheint etwas faul. Larson, Ehemann der unscheinbaren Vicky, ist gar zu schön, als dass der reiche Vater an diese Variante glauben möchte. Und der begehrte Witwer scheint nicht der zu sein, für den er sich ausgibt, kein Amerikaner mit norwegischen Wurzeln, sondern ein Deutscher aus dem Hohenlohischen.

Das vermutet zumindest die schöne Schwester der Toten, ihrerseits nicht unverdächtig. Dann gibt es da noch einen Deutschen, der den Strahlemann als Freund aus der Heimat identifiziert hatte und der, wie es der Zufall im Krimi nun mal so will, plötzlich spurlos verschwindet. Hier kommt Ellwanger ins Spiel, ebenfalls ursprünglich im Hohenlohischen beheimatet, dessen Vermieterin zufällig eine Bekannte des reichen Trevillyan ist. Weder im Milieu der New Yorker Upper Class noch in der Sprache fühlt sich Ellwanger zuhause. Auf die Erfahrung der Fremdheit folgt die Reise in die eigene Vergangenheit.

Konstruiert wirkende Handlung

Lewitscharoffs Sprachwitz und Fabulierkunst blitzen nur an wenigen Stellen auf. Die Sprache als Medium des Denkens: So wie Ellwanger mit dem Englischen kämpft, hadert wohl auch die Autorin mit dem gewöhnlichen Sprachduktus, der nicht so recht zu ihr passen will, wie ein zu enges Kleidungsstück, das einen einschnürt. Die Handlung wirkt extrem konstruiert und etwas abstrus, sodass man sich stellenweise in einen als Massenware produzierten Fernsehkrimi versetzt fühlt - und das ist wohl auch kein Zufall. Da fallen Sätze wie: "Aber attraktiv war sie, höllisch attraktiv sogar. Inzwischen hatte sie die Schuhe ausgezogen und rekelte sich auf dem Sofa wie eine Filmdiva.“ Der Beginn des Romans lässt zwar eine Camouflage erwarten: Ellwanger sitzt vor dem Fernsehgerät und amüsiert sich mit "Inspector Barnaby“. Der gilt dann wohl auch als Vorbild: "Da fiel es nicht weiter ins Gewicht, daß die Morde surreal und die Motive verdreht waren, besonders in ihrer Häufung. Mindestens drei oder vier Leichen gab es in jeder Folge. Alles unwahr, aber heiter und entspannend.“ Die Stereotype, das künstliche Lokalkolorit und die aberwitzigen Plots stören Ellwanger nicht, die Handlung ist nebensächlich. Das kann man als Leseanleitung verstehen: Immerhin ist Lewitscharoff selbsterklärter Barnaby-Fan und Killmousky der Serie entlehnt. Nur leider verfügt Ellwanger nicht über den skurrilen Charme seines britischen Serienkollegen. Und es geht die meiste Zeit recht ernst zu. Ein personaler Erzähler ist natürlich oft dazu angetan, ein wenig Misstrauen zu wecken und in einigen Passagen wird durchaus versucht, dem Kommissar Tiefe zu verleihen. Doch was man sich auch immer vom neuen Text der Büchner-Preisträgerin erwartet hatte - das sicher nicht. Ein Buch, das man beiseite legt, wie man das Fernsehgerät nach "Inspector Barnaby“ abdreht: kurzweilige Unterhaltung, zweifellos gut gemacht, aber hängen bleibt wenig. "Killmousky“ ist ein Roman für Freunde des Krimis. Diese werden sich gut unterhalten fühlen. Was man an der Autorin schätzte, wurde einem ohnehin ordentlich vergällt: Ihr bitterböser Humor, ihre Vorliebe fürs Groteske, ihre Doppelbödigkeit. Man ist sich nicht mehr so sicher, ob die Ironie, die einen unterhalten hat, tatsächlich als solche zu verstehen ist. Vom befremdlichen Weltbild der Schöpferin findet sich in "Killmousky“ nichts, dazu ist der Text auch zu banal und belanglos. Man ist fast dankbar dafür.

Killmousky

Von Sibylle Lewitscharoff, Suhrkamp 2014.

223 Seiten, gebunden, E 20,60

Sybille Lewitscharoff

Die 1954 in Stuttgart geborene Autorin studierte Religionswissenschaften in Berlin. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Berliner Akademie der Künste. 2013 erhielt sie den Georg-Büchner-Preis.

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