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Das ganze Leben liegt vor dir: Paolo Virzìs Film zeigt das Grundproblem der italienischen Globalisierungskritik, auch wenn er es in eine Komödie packt.

Die schöne Marta (Isabella Ragonese) hat eigentlich einen tadellosen Lebenslauf, da müsste sich doch bestimmt ein angemessener Job finden! Allerdings: Philosophie?! Und schon verstehen wir das Grundproblem der italienischen Globalisierungskritik, die sich als Komödie tarnt (oder war es umgekehrt?): Auch wenn man sich noch so bemüht, ja zerreißt, und es scheint nichts zu fruchten, müsste dann nicht hoffentlich eine Zeit kommen, in der das Wünschen wieder hilft? Die rothaarige Marta promoviert also mit Auszeichnung über Heidegger, und wie das in solchen Märchen ist, grenzt ihre Zuversicht an Naivität – sie könnte sich schlicht und ergreifend verbiegen, es findet sich nichts: Fehlanzeige! Kurzerhand fährt sie zu ihrer kranken Mutter, die ihr den Satz „Du hast das ganze Leben noch vor dir!“ mit auf den Weg gibt.

Unnützes Haushaltsgerät

Zurück in Rom begegnet ihr in der Metropolitana das kleine Mädchen Lara (Giulia Salerno), die ihr einen Zettel in die Hand drückt: „Lara & Sonia suchen Babysitter“. Endlich scheinen die neuen Umstände vom Glück gefügt: Die alleinerziehende Mutter Sonia (Micaela Ramazotti) teilt ihr ein Zimmer zu, rauscht aber auch gleich ins Callcenter „Multiple Italia“ ab. Es kommt, wie es kommen muss: Auch Marta wird eines Tages eben dort vorstellig. Was sie anfänglich als soziologische Feldforschung versteht – klassischer Fall von Überqualifikation –, entwickelt sich naturgemäß zu einer vorläufigen Normalität: Inzwischen kann sie mit ihren Kolleginnen spielend über „Italo-Big-Brother“ parlieren. Der Geschäftsgegenstand handelt von der Nötigung zum Kauf eigentlich unnützer und oft auch noch untauglicher Haushaltsgeräte. Nun sehen wir, was „Mitarbeitermotivation auf Italienisch“ bedeutet: Jeden Morgen singen die Callcenter-Damen die Firmenhymne. Das Verkaufsprinzip beschränkt sich rein auf den Abschluss, zur Überraschung der Telefonistas funktioniert allerdings „Martas Masche“: Ihre Passion, ihr Talent für „nachbarschaftliche Gespräche“, schaffen ein angenehmes Klima, umso leichter fällt es den Adressaten, Marta zu folgen, doch die muss, als sich ihre Freundin Sonia schier an der Firma ausbrennt, erkennen, dass es „mehr“ im Leben geben muss, als im Grunde kaputte Ware zu verchecken. Da kommt der Gewerkschafter Giorgio Conforti (Valerio Mastandrea) wie gerufen. Marta entscheidet sich für einen finalen Bruch mit Multiple Italia. Erfreulicherweise ist dieser Film in seiner Komik lustig, in seiner Kritik treffend und in seinem Spannungsbogen schlüssig (auch Musical-Einlagen stören nicht weiter): Kritik muss nicht bierernst vorgetragen werden, vor allem dann nicht, wenn man – eingedenk des Bloch’schen Prinzips Hoffnung – erkennt, dass – selbst, wenn das ganze Leben nicht mehr vor einem liegt – der allumfassende Glaube an die Umkehr als Potenzial stets vorhanden ist.

Das ganze Leben liegt vor dir (Tutta La Vita Davanti)

I 2008. Regie: Paolo Virzì. Mit Isabella Ragonese, Giulia Salerno, Micaela Ramazotti.

Verleih: Polyfilm. 117 Min

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